#Fachliches & Rezensionen
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- Geschrieben von: Ben Schuster
„Ich halt es nicht aus, wenn die Kinder ständig streiten! Das ist doch nicht normal! Haben wir etwas falsch gemacht?“
Als Family Counselor in Ausbildung sitze ich zum ersten Mal einer Familie gegenüber. Mutter und Vater sowie zwei von drei Kindern rutschen leicht nervös auf ihren Stühlen hin und her. Ein Stuhl ist leer. Er ist für die Jüngste, die sich lieber vom Rand zuschaut, während wir uns unterhalten.
„Wir waren gestern nach einem Fest alle so gut drauf, bis plötzlich die Stimmung kippte. Anna hat sich am Knie angestoßen. Ihr Weinen und Schreien haben Max voll genervt. Er hielt ihr „Theater“ nicht aus und explodierte. Und das alles direkt vorm Zubettgehen. Wir waren alle schon so müde. Warum muss das sein?“
Als Counselor bin ich auch leicht nervös. Obwohl wir schon so viele Counselings geübt und live miterlebt haben, ist es doch sehr ungewohnt vor vier Menschen zu sitzen und wahrzunehmen, was ihnen jeweils wichtig ist. Ich möchte ihnen helfen Klarheit zu finden, in dem emotionalen Labyrinth der Familiendynamik. Ich spüre einen inneren Druck, es gut machen zu wollen. Das lenkt mich ab und führt mich weg vom Kontakt mit den Menschen, die vor mir sitzen. Ich atme tief durch.
Ich lade auch die Kinder ein, ihre Sicht und Meinung einzubringen, falls sie etwas sagen möchten. Sie werfen sich gegenseitig einen kurzen Blick zu, und schenken mir ein etwas verlegenes Lächeln. Sie sind noch unsicher, ob sie etwas sagen wollen oder nicht.
Kurz ist es ruhig im Raum und dann sagt Max:
„ … Ja und dann ist die Mama wieder ausgeflippt.“
Ich sehe, wie der Papa nickt und die Mama in ihrem Stuhl leicht zusammensackt.
„Und ich bin dann immer diejenige, die es abkriegt“, ergänzt Elena leise. „Obwohl ich nichts gemacht habe! Das finde ich total ungerecht!“
Die Eltern schauen mich fragend an: „Was sollen wir nur tun?“
Es ist ein besonderes Lehrgangswochende.
Alle 10 Counselor in Ausbildung sitzen mit ihren Familien da. Alle sind neugierig, wie das hier abläuft. Wir sind ein bunter Haufen, aus verschiedenen Konstellationen: Patchwork-Familien, Kinder im Alter von 2 bis über 30, zwei Schwestern aus einer Ordensgemeinschaft und sogar ein großer Bernhardiner. Er beobachtet das ganze Geschehen von seinem Platz am Rand des Kreises. Ein Team aus Lehrsupervisor*innen und Assistentent*innen halten den Raum und begleiten uns. Wir sind hier, um die unsichtbaren Dynamiken in unseren Familien besser kennen zu lernen und zu verstehen. Wir wollen lernen, was es heißt mit Familien zu arbeiten und was es heißt, sich als Familie Hilfe zu holen. Jede Familie hat Zeit sich mit Fragen zu beschäftigen, wofür im Alltag kein Raum ist.
- Wie ist es DU, in unserer Familie zu sein
- Was ärgert mich am meisten an unserer Familie? Erzähl ein Beispiel.
- Was glaubst du, welche Sorgen oder Gedanken sich deine Eltern über dich oder deine Geschwister machen?
Als wir als Patchworkfamilie versuchen diese Fragen zu beantworten, kommt vieles an die Oberfläche. Sind wir überhaupt eine Familie? Wenn ja, wie sieht sie aus? Wenn nein, was sind wir dann genau?
Die Schmerzen von den Trennungen sind immer noch spürbar, obwohl sie jetzt über 5 Jahre hinter uns liegen. Auch die Kinder teilen ihre Themen mit: Konflikte und Unsicherheit in der erweiterten Familie, die Angst benachteiligt zu werden, Schwierigkeiten bei gemeinsamen Entscheidungen.
Die Themen sind vertraut, aber die Fülle überfordert uns. Eine Sache ist klar. Als Familie unterwegs zu sein ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen! Familie sein bedeutet auch Streit, Ärger, Schmerz und Leid.
Wieder zurück zu der Familie, die mir mit ihrem fragenden Blick gegenübersitzt.
Ich bin mir nicht sicher, wo wir als nächstes hinschauen sollen und bin dankbar für die Möglichkeit mich mit dem Supervisor, Svend aus Dänemark, zu unterhalten. In der Reflexion mit ihm überlege ich, welcher Schritt als nächster Sinn macht.
Ist die Mama überfordert, weil der Papa nicht unterstützt?
Fehlt es den Kindern an Aufmerksamkeit und sie kämpfen darum?
Fehlt eine gesunde Streitkultur in der Familie?
Wir steigen wieder in das Gespräch ein.
Es wird gemeinsam hingeschaut und erforscht welche Dynamiken das Zusammensein in diesen Situationen so schwer macht. Es zeigt sich, dass der Papa sehr wohl unterstützt und präsent ist. Die Kinder bekommen Aufmerksamkeit und im Großen und Ganzen, gibt es eine gesunde Familiendynamik. Außer bei solchen Streitereien. Da gerät etwas außer Kontrolle und es wird allen sehr schnell zu viel.
Immer wieder kommen wir im Gespräch auf die Streitkultur zurück.
„Mir ist das ständige Streiten zu viel."
„Ich mag nicht immer der Schiedsrichter sein."
„Ich will nicht, dass die Kinder so viel streiten. Das ist doch nicht normal."
Da kommt die ruhige Stimme von Svend, unserem Supervisor, der im Stuhl neben mir sitzt. „Aber auch das ist Liebe“
Kinder brauchen Streit, damit sie Beziehungskompetenz lernen können. Die Familie ist der einzige Ort, wo richtig hart gestritten werden kann und es trotzdem ein Ort der Liebe und Sicherheit bleiben kann. Es ist sehr, sehr wichtig, dass die Kinder selbst die Themen ausstreiten können. Für Eltern ist das oft sehr schwer auszuhalten.
Im Raum ist es plötzlich ruhig. Obwohl ich sie nicht direkt sehen kann, spüre ich die fragenden Blicke. Die meisten im Raum kennen diesen Gedanken aus den Büchern von Jesper Juul. Aber es in einer realen Situation zu erleben, zu spüren wie unmöglich es scheint diesen anzunehmen, geht tief rein.
Die Mama drückt sogleich aus, was sich sicher viele im Raum denken.
„Ja…aber ich mag das nicht. Ich halte das nicht aus. Es ist zu anstrengend. Ich will nicht, dass die Kinder so miteinander reden. Da muss ich doch etwas sagen… oder?"
„Aber Mama, wenn wir doch nur streiten, dann brauchen wir deine Hilfe nicht“, sagt Elena leise zu-ihrer Mama.
Svend nickt deutlich. Er schaut Elena an, mit einem bestätigenden Blick, lehnt sich zurück in den Stuhl und erklärt:
„Das Schwerste für Eltern ist, die Verantwortung. für das zu übernehmen, was man nicht geben kann oder will. Manchmal kann man einfach nicht mehr geben oder es ist zu anstrengend. Das ist OK. Eltern sind auch nur Menschen, die ihre Grenzen haben. Aber die Verantwortung für deine eigene Begrenzung, etwas auszuhalten zu übernehmen, ist sehr wichtig. Das heißt, dass du nicht nur deine eigenen Gefühle in dem Moment aushalten musst, sondern auch, wie die Kinder darauf reagieren und ihre Gefühle zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel, musst du wenn du „Nein“ sagst, aushalten, dass dein Kind wütend, traurig oder genervt reagiert. So lernen sie damit umzugehen. Und nur weil du sagst, es ist mir zu viel, heißt es nicht, dass die Kinder zu streiten aufhören sollen. Du musst für dich selbst die Verantwortung übernehmen. Wenn es dir zu viel wird, geh woanders hin. So bekommst du den Streit nicht mit.“
Der Counselor schaut zum Papa. „Wie geht es dir, wenn die Kinder streiten oder es einen Konflikt gibt? Kannst du das aushalten oder in solchen Momenten deiner Frau helfen, dass auch sie es aushalten lernt?“
„Ich kann damit ganz gut umgehen. Es nervt schon, aber es macht mich nicht total fertig.“
„Aber… das kann doch nicht die Lösung sein. Dass ich die Kinder streiten lasse? Muss ich nicht als Mama schauen, dass niemand verletzt wird, dass es nicht außer Kontrolle gerät?
„Deine Verantwortung in diesem Moment ist, gut für dich zu sorgen. Dass du die Kontrolle über dich nicht verlierst. Dass du es aushältst, dass deine Kinder die Verantwortung für ihre Konflikte übernehmen können und dass du deine Überforderung nicht auf die Kinder überträgst. Mehr musst du nicht machen. Aber das ist schon viel.“
„Das ist aber schwer. Ich mag es nicht, wenn sie Schimpfwörter verwenden. Kann ich da nichts tun?“
„Ja, Eltern sein ist manchmal schwer. Und Ja, du kannst sagen, dass du das nicht magst. Aber der Schiedsrichter solltest du nicht werden. “
Svend´s Botschaft ist klar und deutlich, es holt die Eltern in die Verantwortung. Gleichzeitig spüre ich seine große Empathie für die Eltern und was es heißt, diese schwierigen Situationen auszuhalten.
Was es heißt Familie zu sein...
Ich verlasse, das Familienwochenende mit einer tiefen Bewunderung für Familien. Obwohl Familie sein oft schwierig ist, ist es auch etwas Besonderes. Etwas, das Zugehörigkeit in guten und schlechten Zeiten gibt. Ich bin erstaunt, wie gut die Kinder wissen, was sie brauchen, und wie gut sie das auch zum Ausdruck bringen können, wenn wir ihnen zuhören. Ich spüre den Wunsch, auch meinem Sohn genauer zuzuhören und seine Perspektive zu verstehen.
Und gleichzeitig arbeitet es in mir nach.
Es ist klar das Kinder sehr wohl Verantwortung für sich und ihre Aufgaben übernehmen können und wollen, wenn man sie lässt. Viel mehr als wir es ihnen zumuten. Das haben die vielen Gespräche immer wieder gezeigt. Es ist aber auch klar, dass die Eltern für ihren Anteil die Verantwortung übernehmen müssen. Für ihre Emotionen und Gefühlen, für ihre Überforderung und für ihre begrenzten Kapazitäten. Wenn dieses nicht geschieht, dann sind alle überfordert.
Und mir ist klar, dass diese Grenzen sich immer wieder vermischen werden und sich manchmal Überforderung breitmacht, wenn die Verantwortung mal wieder nicht übernommen wird. Aber man kann sich entschuldigen. Es kommt wieder zur Versöhnung. Vielleicht bedeutet genau das, Familie zu sein. Gemeinsam zu wachsen!
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- Geschrieben von: Katrin Stauder
Das Familienwochenende, das zum Family Counseling Lehrgang der IGfB gehört, wie Schnee zum Winter in den Bergen oder Kuchen zum Geburtstag, war schon immer etwas ganz Besonderes für mich. Die Dynamik einer großen Gruppe, die Verletzlichkeit, die nur ganz nahe Beziehungen mit sich bringen und das Vertrauen, das die Lehrgangsteilnehmer*innen und ihre Familien uns als Veranstalter und den Referent*innen entgegenbringen faszinieren mich jedes Mal aufs Neue.
Es bedeutet eine große Verantwortung, aber auch ein großes Geschenk Teil dieses Lehrgangsblocks zu sein.
Das Familienwochenende ist so essentiell für uns, weil wir als Family Counselor nur seriös mit Familien, arbeiten können, wenn wir unsere eigenen Familien, ihre Verbindungen, Rituale, Verhaltensmuster, Dynamiken und Baustellen immer wieder spüren, erfahren, überdenken und dadurch immer besser kennenlernen.
In diesem Jahr war es noch ein bisschen spezieller für mich. Einerseits organisiere ich den Lehrgang und bin zuständig für alle Formalitäten, die ihn betreffen, andererseits ist mein Mann diesmal Teilnehmer und hat mich als seine Frau eingeladen, mit dabei zu sein.
Was für eine irre Gelegenheit für mich, ein und dieselbe Erfahrung aus mindestens zwei Perspektiven zu machen.
Wir hatten im Vorfeld zwar geklärt, dass ich an diesem Wochenende vor Ort nichts Organisatorisches abwickeln werde, aber meine Wahrnehmung kann ich ja nicht gut abstellen. So nach dem Motto: "Den organisatorischen und fachlichen Blickwinkel bitte auf Standby." Ein Sammelsurium an Wahrnehmungen und Empfindungen durchströmte mich also an vielen Momenten dieser Tage.
Es war mir schon im Vorfeld sehr wichtig, dass alles bestmöglich vorbereitet und durchdacht ist und die Bedürfnisse von allen individuell so gut wie möglich gesehen und beantwortet werden.
Vor Ort war also ein Teil meiner Wahrnehmung unweigerlich darauf gerichtet, wie die Teilnehmer*innen und ihre Familien in den ersten Stunden und Tagen auf Umgebung und Struktur reagierten (und auch, ob sie meine Erwartungen und die meiner Familie trafen).
Darüber hinaus war ich intensiv damit beschäftigt, wie sich meine Rolle als Ehefrau eines Teilnehmers gestalten würde und auch, wie wir als Familie mit den Anforderungen, die die Aufgabenstellungen der Referent*innen an uns stellten, zurechtkamen.
Schlussendlich galt mein Interesse, selbst Family Counselor, auch der fachlichen Arbeit der Referent*innen und der Lehrgangsteilnehmer*innen, die in der Mitte mit den Familien arbeiteten.
Ganz schön viel wahrzunehmen.
Doch es hat sich gelohnt, die Herausforderung anzunehmen.
Als Organisatorin bin ich bestärkt, dass die Struktur einen wesentlichen Teil des Gelingens so einer Veranstaltung ausmacht. Und ich fühle mich beglückt und beschenkt, weil alle den Ort und die Angebote darin so genießen konnten (das Wetter war noch dazu perfekt - dafür war ich allerdings nicht zuständig...)
Als Partnerin und Mutter bin ich dankbar für innige Situationen und Auseinandersetzungen in meiner Familie und für die vielen Beispiele der anderen Familien, die mir wieder gezeigt haben, dass es sich lohnt Dinge aus- und anzusprechen und, dass wir alle Erfahrungen teilen, die in jeder Familie so, oder so ähnlich aussehen.
Als Fachfrau schließlich bin ich berührt von Menschen, die bereit sind, sich auf eine so mutige und ehrliche Art mit sich selbst und ihren Partner*innen und Kindern auseinanderzusetzen und ich bin dankbar, sie und die angehenden Family Counselor auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Ein Geschenk über das ich jeden Tag aufs Neue glücklich bin.
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- Geschrieben von: Klemens Röthig
Ein kleiner Junge sitzt im Einkaufswagen im Supermarkt und singt hingebungsvoll vor sich hin. Inmitten der maskierten und aufs Einkaufen konzentrierten Erwachsenen wirkt er wie eine Insel der Entspannung. Ich schaue ihm fasziniert zu und muss dabei lächeln. Da treffen sich unsere Blicke. In seinem Gesicht entsteht auch ein Lächeln, aber auf halbem Weg hört es auf. Wie eingefroren. Mir ist klar, dass es mit meiner Maske zu tun haben kann und ich versuche umso mehr, mit meinen Augen zu lächeln. Es gelingt mir nicht, ich gehe vorbei, der Junge hat aufgehört zu singen und schaut weg.
Ich ärgere mich über diesen Ausgang, schimpfe innerlich über die Pandemie und drifte ab in Gedanken darüber, wie kleine Kinder die Umwelt auf Dauer erleben, wenn ihre Möglichkeiten eingeschränkt werden, in Gesichtern zu lesen. Ich stehe vor einem Regal und habe den Faden bei meinem Einkauf verloren, denn eigentlich ist mein Kopf damit beschäftigt, eine Lösung für das von mir gerade bemerkte Problem zu finden. Ich muss mich daran erinnern, dass ich das gar nicht kann. Mein Wunsch zu helfen sitzt oft in der ersten Reihe.
Ich frage mich, woher der Impuls kommt, Probleme schnell zu lösen. Neulich klopfte an die Tür meines Beratungsraumes die Kosmetikerin, die ihr Studio auf demselben Gang hat. Ihr Staubsauger funktionierte nicht, ob ich mal schauen könnte. Ich hatte den Knopf schnell gefunden, sie bedankte sich, ich freute mich geholfen zu haben und weg war sie. Danach stand ich wieder allein da und dachte an den Klienten, mit dem ich kurz vorher über seine Trennung gesprochen hatte. Er hatte gesagt, dass es ein gutes Gespräch für ihn war, aber der Vergleich zum Staubsauger fiel mir halt auf.
Zum Glück gibt es viele andere, die sich auch mit dem Helfen wollen beschäftigt haben. Bei einem Vortrag der Schriftstellerin Anne Lamott hieß es: „Hör auf zu helfen! Wenn es das Problem von jemand anderem ist, dann hast du wahrscheinlich sowieso keine Lösung!“ Und der Familientherapeut Jesper Juul behauptete sogar einmal, wir hätten gar nicht das Recht zu helfen. Und dem, der sich nicht helfen lässt, kann man laut einem Sprichwort sowieso nicht helfen.
Helfen scheint also gar nicht so einfach zu sein. Selbst wenn Menschen zum Ausdruck bringen, dass sie ein Problem haben, heißt das überhaupt nicht automatisch, dass sie auch einen Rat wollen. In den meisten Fällen geht es erst mal um etwas anderes. Ich habe schon oft den irritierten Blick von Männern gesehen, wenn ihre Frauen ihnen mitteilen, dass sie gar keine Hilfe wollen, wenn es ihnen schlecht geht, sondern dass sie sich wünschen, dass man ihnen zuhört. Helfen verboten! Aber dann gibt es die Momente, in denen Menschen sich auf einmal selbst ernsthaft fragen: „Was soll ich bloß tun?“ Ich glaube inzwischen, dass es an solchen Stellen sinnvoller ist, sich in dem momentanen Dilemma etwas aufzuhalten, als möglichst schnell wieder herauszukommen.
Für manche Menschen ist es überhaupt unangenehm, am empfangenden Ende einer Hilfe zu sitzen. Vielleicht sind sie es mehr gewöhnt, auf der gebenden Seite zu sein oder es fühlt sich falsch für sie an, etwas nicht allein zu schaffen. Wenn ich jemandem helfen will, kann es auch passieren, dass ich einen hervorragenden Ratschlag besitze, ihn aber auf eine blöde Art oder zum falschen Zeitpunkt mitteile. Das nützt dann gar nichts. Es kann auch sein, dass ich mir die beste Mühe gebe und die andere Person will meine Unterstützung nicht. Dann kann Helfen-Wollen übergriffig werden. Damit das nicht geschieht, ist es wichtig, zu unterscheiden, ob meine Hilfe der anderen Person dient oder eigentlich mir selbst.
Und oft ist das, wobei ich helfen will, einfach zu groß. Zum Beispiel bei existentiellen Themen wie Tod, Trennung oder halt bei einer Pandemie. Für mich ist deshalb die Frage wichtig geworden, die die Empathieforscherin Eve Ekman Krankenschwestern in einem Hospiz gestellt hat: „Wenn du dich nicht erfolgreich fühlen kannst dadurch, dass du jemandem hilfst, gesund zu werden oder seine Probleme zu lösen, gibt es etwas anderes im Zusammensein mit der Person, was dein Sein erfolgreich machen könnte?“
Den Jungen im Einkaufswagen kann ich nicht vor den Auswirkungen der Gesichtsbedeckung schützen, aber ich werde auf jeden Fall wieder lächeln, wenn mir danach ist. Und vielleicht zeige ich das nächste Mal kurz mein ganzes Gesicht.
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- Geschrieben von: Katrin Stauder
In den letzten Tagen habe ich mich intensiv mit dem neu überabeiteten Buch "Vom Gehorsam zur Verantwortung" von Jesper Juul und Helle Jensen beschäftigt - ein Klassiker, der jetzt neu übersetzt und aktualisiert viel leichter lesbar geworden ist.
Im Querlesen bin ich an einem Thema hängen geblieben, das mich, gerade wieder selbst sehr beschäftigt: die "persönliche Sprache". Persönliche Sprache, ein Begriff, den Jesper Juul und Helle Jensen geprägt haben, ermöglicht miteinander in Kontakt zu kommen und sich selbst besser kennenzulernen.
Als ich Jesper Juul zum ersten Mal im Dezember 2002, in Salzburg begegnete entstand auch mein erster Kontakt zum Begriff der persönlichen Sprache. Ich weiß noch, dass ich mit dem Vorhaben, mehr über mich und weniger über die anderen zu reden, aus Salzburg nach Hause gefahren bin.
Außerdem haben mich die zwei Teile in jeder Aussage, die Jesper Juul von uns einforderte, nachhaltig beeindruckt:
der passive Teil
zu sagen wie es mir,
bezogen auf eine Situation oder einen Umstand, geht
der aktive Teil
zu sagen, was ich von meinem Gegenüber,
bezogen auf diese Situation oder diesen Umstand,
will oder brauche
Mein Mann, meine Kinder, aber auch die Menschen, die mir in meinem Arbeitsfeld begegneten, gaben mir Gelegenheit, diese Anregungen auszuprobieren und immer wieder zu üben. Damals wurde mir klar, dass es nicht reicht, wenn das Wort "ich" in meinen Sätzen vorkommt, sondern, dass ich das, was ich sagen will, auch "meinen" bzw. fühlen muss, um gehört zu werden.
Jesper Juul schreibt über die persönliche Sprache:
- "Die persönliche Sprache bringt die Gefühle und Gedanken eines Menschen im Verhältnis zu einem anderen Menschen zum Ausdruck – bezogen auf einen ganz bestimmten Augenblick."
- "Sie besitzt persönliche Substanz und „Körper“ und ist somit wärmer als das, was ausschließlich vom Kopf ausgeht."
- "Sie erleichtert den Sprecher und beeindruckt den Hörer. Das ist die authentische Qualität der persönlichen Aussage."
- "Die persönliche Aussage handelt stets von dem, der spricht, und ist deshalb niemals kritisch oder belehrend."
Also fing ich an mir zu überlegen, was ich z. B meinen Kindern gegenüber wahrhaftig zum Ausdruck bringen wollte und versuchte dann, die überzeugte Entsprechung dieser Inhalte in mir zu finden - z. B. mein ganz klares "Nein", dass 100 Mal ausgedrückt keinen Effekt bei ihnen gezeigt hatte. Ich schaffte es, mir immer wieder Gehör zu verschaffen, wenn ich erfolgreich meine intellektuelle Idee mit meiner Befindlichkeit in Einklang brachte.
Trotzdem war ich noch oft damit konfrontiert nicht gehört zu werden. Auch versicherten mir immer wieder Klient*innen, dies oder jenes "genau so" zu ihren Kindern oder Partner*innen gesagt, aber absolut keinen Effekt damit erzielt zu haben.
Meine Lieblingssatz damals: "Du musst das auch glauben, was du sagst."
Die Schwierigkeit dabei war es allerdings, den Weg zu dieser inneren Überzeugung zu finden. Wie kam ich bloß dahin, das zu fühlen, was ich sagen wollte?
Nach vielen weiteren Auseinandersetzungen, Selbstversuchen, Selbsterfahrungen und einem stetigen Ringen um meinen persönlichen Ausdruck ist mir heute klar, dass meine Vorstellung von der Richtung des Erkenntnisprozesses damals falsch war. Nicht meine Idee und Vorstellung davon, was ich sagen will, muss den Weg zu meinem Gefühl finden, sondern meine persönlichen Gedanken, Werte und Gefühle, können mittels persönlicher Sprache so authentisch wie möglich vermittelt werden und auch noch ein Erkenntnisprozess für mich selbst sein.
Indem ich mich offen und neugierig darauf einlasse wahrzunehmen, zu spüren und zu fühlen, was bei mir gerade da ist; was mich umtreibt, voranbringt und abhält, indem ich darum ringe, dem was ich da in mir begegne die wirklich passenden Worte zu geben, erkenne ich mich selbst und kann mich so meinem Gegenüber authentisch zeigen und erst dadurch wirklich in Berührung und Kontakt kommen.
Die Sprache entspringt den innersten Bezirken in uns.
Kein Spiegel gibt das Bild eines Menschen so getreu wieder wie seine Rede.
[ Benjamin Jonson | englischer Bühnenautor | 1572 – 1637 ]
Meine Vorstellung war es "Von Gehorsam zur Verantwortung", nur sehr sachlich und professionell zu betrachten. Die tiefen persönlichen Überlegungen, die es in mir ausgelöst hat, haben mir jedoch einmal mehr gezeigt, dass alles was menschliche Beziehungen betrifft allgemeine Gültigkeit besitzt.
Nur wo wir ganz wir selbst sind, können wir in wahrhaftigen Kontakt mit den Menschen um uns kommen und das ist genau so wichtig für professionelle wie für private Begegnungen.
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Quellen der kursiv gedruckten Elemente:
Jesper Juul: „Pubertät – Wenn Erziehen nicht mehr geht“, Kösel 2018.
Jesper Juul, Helle Jensen:" Vom Gehorsam zur Verantwortung", Beltz April 2019.
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- Geschrieben von: Robin Menges
We at the iGfB understand counseling and family therapy as a personal and individual process, which supports individuals and family systems in their personal solutions and arouses potential for change.
In the context of accomapnying these kind of developmental processes, Meryl Streep’s words "take your broken heart and turn it into art" touched me last week.
I also try to turn my broken heart into art. Sometimes the result is artful, sometimes not. The transformation of one's own wounds, through one's own actions, is an essential impetus of many people, whether as partners, as parents, in our professions, in our voluntary commitments or in other areas.
One of the lectures that I gave this autumn was titled "Family Hurts". In preparation for this, and through the reactions of others, I was confronted with the harshness and inevitability of this fact time and time again.
Why do we do what we do?
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- Geschrieben von: Robin Menges
In meine Praxis kommen Familien und Paare: Familien und Paare, die sich mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert sehen. Das Kind will nicht in den Kindergarten; die 14-jährige ist im Kaufhaus beim Klauen erwischt worden; das Kindergartenkind ist sehr aggressiv – im Klartext fürchtet die Mutter um das Leben der Katze; der Ex-mann lässt jemand anderen auf die Kinder aufpassen – die Mutter kann ihm die Kinder nicht mehr mit gutem Gefühl überlassen; nach einer Trennung kommt eine Frau nicht auf ihre Beine; ein Mann ist verzweifelt, weil er das verlorene Vertrauen seiner Frau nicht wiedererlangen kann, obwohl er mit allem kämpft was er aufzubieten hat; usw..