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- Geschrieben von: Ben Schuster
Ich setze mich wieder an den PC und fühle mich gut. Ich bin ein guter Papa. Ich habe langsam den Dreh bei dieser Homeoffice-Sache heraus. Habe mir Zeit für ein angenehmes Mittagessen mit meinem Sohn genommen, fühle ich mich jetzt gut in meiner Haut. Noch ein paar Dinge erledigen, damit ich den Tag ausklingen lassen und mich abends entspannen kann. Dann ruft meine Freundin an und fragt, ob ich ihrer Tochter helfen kann. Nach ein paar Minuten hat sie ihre Aufgabe geschafft und mein 16-jähriger erscheint in der Tür.
"Ich muss mein Biologieprojekt mit dir besprechen, ich kenn mich da nicht aus!“
Ich spüre wie der Frust in mir steigt. Ich will vor meinem nächsten Termin noch etwas fertig machen. Schon wieder eine Störung! "Wir haben gerade eine Stunde zusammen zu Mittag gehabt. Du hättest da was sagen können. Ich muss jetzt weiterarbeiten. Lass uns später reden". Einen kurzen Moment lang, spüre ich, dass mein Stresspegel wieder sinkt, und ich bin insgeheim stolz darauf, dass ich eine gewisse Struktur aufrechterhalte und mich auch um meine Bedürfnisse kümmere.
"Aber ich brauche jetzt Hilfe"!
"Ja, aber ich habe einen Termin, der in 20 Minuten beginnt, und möchte vorher noch etwas erledigen!
"Du hast nie Zeit für mich! Du interessierst dich nie für das, was ich tue. Du hast immer Zeit für andere. Aber nicht für mich!"
Ich spüre wie die Wut in mir aufsteigt. Bevor ich noch meine innere Kernschmelze stoppen kann, schaue ich mir zu, wie ich wie ein Vulkan über meinen 16-jährigen Sohn ausbreche. „Nie! Du hast keine Ahnung, wie viel ich für dich tue. Du merkst es nie, wenn ich mir Zeit nehme, dir zu helfen. Du siehst immer nur das, was ich nicht tue! Du... du… du…!!!!"
Ich brauche die Geschichte nicht fertig zu erzählen, damit ihr wisst, wo sie endete. Ich höre noch immer das Zuschlagen seiner Zimmertür. Ich spüre die intensive Wut und Frustration; das Gefühl nicht verstanden zu sein. Die Ruhe eines angenehmen gemeinsamen Mittagessens, nur 10 Minuten zuvor - eine ferne Erinnerung. Was bleibt, sind die Trümmer eines Zusammenbruchs unserer Beziehung. Alle beide haben wir uns hinter die Mauern der Wut zurückgezogen. Meine Hoffnung auf einen effektiven Nachmittag ist dahin! Ich schaffe es, die kurze Skype-Konferenz zu überstehen und gehe nach draußen, in der Hoffnung, meinen Kopf frei zu bekommen.
Was ist gerade passiert?
Wie konnte ich so ausflippen? Alles schien so gut? Ich bin in letzter Zeit viel besser mit seinen Launen fertig geworden. Warum hat mich das gerade so hart getroffen?
Ich bin wütend. Aber erste Risse erscheinen in meinem harten Panzer. Ich zweifle an mir selbst. Bin ich wirklich ein guter Vater? Habe ich nie Zeit für meinen Sohn? Interessiere ich mich wirklich nicht für das, was er tut? Während ich gehe, beginne ich zu befürchten, dass etwas daran wahr sein konnte. Ich bin oft nicht zu 100% anwesend oder völlig daran interessiert, was er in der Schule macht. Meine Gedanken drehen sich oft um berufliche Probleme, ganz zu schweigen von den Rechnungen, die zu bezahlen sind, der Reparatur des Autos, dem Haushalt und allem anderen, was zum Alltag dazu gehört.
Jetzt wird aus meiner Wut ein Schuldgefühl. Jetzt fühle ich mich wie ein schlechter Vater. Ich lasse meinen Sohn im Stich. Eine weitere Erwartung kommt zu der langen Liste von Dingen hinzu, die ich tun/können/schaffen muss, um ein guter Vater zu sein: immer für meinen Sohn da sein, wenn er Hilfe braucht. Immer. Damit er sich nie vernachlässigt fühlt.
Es ist hoffnungslos
Und dann: Es ist zu viel. Zu viel Druck. Wie soll das jemals gehen? Ich werde es nie schaffen, ihm alles zu geben, was er braucht. Ich werde nie ein guter Papa sein!
Ich bleibe stehen. Setze mich an einen Fluss. Ich bin erschöpft. Ich sehe das Wasser vorbeifließen. Die warme Sonne verlangsamt meine Gedanken. Ich kippe für 10 Minuten weg.
Als ich aufwache, scheint sich der Nebel im Kopf ein wenig aufgelöst zu haben. Ich fühle mich weicher. Irgendwie freundlicher zu mir selbst. Vielleicht liegt es an dem kurzen Nickerchen.
Was auch immer diese Änderung hervorgebracht hat, ich kann jetzt deutlich sehen, dass es wirklich hoffnungslos ist. Ich kann nicht mehr "tun"! Ich schaffe es nicht, alles zu tun, was mein Sohn erwartet oder sogar braucht, um zufrieden zu sein. Ich werde nie ein perfekter Vater sein. Ja, es ist hart, ihn enttäuscht oder verärgert zu sehen. Und ja, es ist noch härter, wenn er mir vorwirft, dass ich schuld daran bin, dass er sich so fühlt. Und das Härteste daran ist, dass ich ja wirklich ständig versuche, Dinge zu tun, die ihn glücklich machen. Und das Gefühl, als Elternteil versagt zu haben ist fast unerträglich.
Aber es ist einfach nicht möglich. Ich werde nie in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass er immer zufrieden ist. Schon gar nicht als 16-jähriger, dessen Stimmungen alle 5 Minuten schwanken.
Irgendwie weiß ich tief im Inneren, dass mein Versuch, ein perfekter Vater zu sein, zum Scheitern verurteilt ist. Ich muss einen Weg finden, um mit der Tatsache zurechtzukommen, dass er manchmal unglücklich und unzufrieden ist. Und dass er mir dafür sogar die Schuld geben wird. Aber das ist in Ordnung. Das ist sogar normal.
Nur ein guter Vater sein?
Ein neuer Gedanke beginnt sich in meinem Kopf zu bilden... Was, wenn ich „nur“ ein guter Vater wäre? Nicht perfekt. Nicht großartig. Nur OK. Gut genug. Jemand, der gelegentlich ausflippt, wenn’s zu viel wird. Jemand, der manchmal sagen muss: "Ich kann dich jetzt nicht helfen" oder "Mir ist das gerade zu viel, besprechen wir es später" oder "Ich weiß nicht" oder einfach mal „nein“ sagt. Ein durchschnittlicher Papa, der seinen Sohn enttäuschen darf und nicht immer in der Lage ist, das zu tun, was er sich wünscht, oder auch immer da zu sein, wenn er mich braucht.
Das ist ein befreiender Gedanke. Aber einer, mit dem ich gleichzeitig kämpfe. Ja, aber was ist, wenn ich etwas falsch mache, was ist, wenn er wirklich nicht OK sein wird? Was, wenn ich ihm Schaden zufüge? Was, wenn er mich wirklich brauchen würde und ich bin nicht da? Was, wenn er das Gefühl hat, dass ich ihn nicht liebe? Was dann?
Kinder brauchen keine perfekten Eltern
Dann erinnere ich mich an etwas, was ich von Jesper Juul gelesen habe: Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sie brauchen Eltern, die gut genug sind, die ok sind, aber nicht perfekte Eltern! Sie brauchen auch Eltern, die authentische Vorbilder sind, und die ihren Kindern beibringen, für sich selbst zu sorgen, indem sie für sich selber sorgen und ihre Grenzen kennen und auch schützen.
Das Fenster der Hoffnung öffnet sich wieder und mit ihm das Gefühl der Befreiung. Wenn ich nicht perfekt sein muss, dann ist es einfacher, mit schwierigen Situationen umzugehen. Schwierige Situationen kommen vor und Teenager regen sich auf. Das ist in Ordnung. Es bedeutet nicht, dass ich ihn nicht liebe oder dass ich ein schlechter Vater bin. Es bedeutet, dass etwas anders ist, als er es sich wünscht und dass er sich damit schwertut. Er lernt, dass das Leben manchmal herausfordernd ist. Es ist eine schwierige Lektion, durch die wir alle hindurchmüssen: lernen mit den Enttäuschungen des Lebens umzugehen. Und wenn es für mich in Ordnung ist, dass er manchmal verärgert ist, dann ist es auch in Ordnung, wenn ich „nein“ sage oder „nicht jetzt“. Dann ist es auch in Ordnung, dass ich auch manchmal überfordert bin oder mich aufrege. Es ist uns beiden erlaubt, unvollkommen zu sein, und nicht so schöne Gefühle zu haben.
Ahh... das gibt mir Raum zum Atmen. Wieder verschiebt sich etwas in mir. Ich fühle mich weicher. Ich fühle mich offener. Und langsam kommt der Wunsch, nach Hause zurückzukehren.
Der Wunsch es wieder gut zu machen
Ich stehe auf und gehe langsam nach Hause. Und mit jedem Schritt wächst der Wunsch, mit meinem Sohn zu sprechen. Der Wunsch, mich für meine Explosion zu entschuldigen. Nicht weil ich es "muss", um ein guter Vater zu sein. Nein, weil ich es möchte. Weil ich meine Geduld in einem schwierigen Moment "verloren habe" und auch auf diesem Weg, den man Leben nennt, manchmal zu kämpfen habe. Und je mehr ich meine eigene Unvollkommenheit und mein eigenes Ringen akzeptiere, desto leichter fällt es mir seltsamerweise, seine Aufregung und sein Ringen zu verstehen. Und zu akzeptieren, dass es in Ordnung ist. Es fühlt sich an, als hätten wir ein geheimes Band; etwas Gemeinsames: Keine Perfektion – eigentlich eher unsere Unvollkommenheit - der Kampf, mit schwierigen Emotionen und Gefühlen umzugehen. Wir haben beide den Wunsch, gesehen zu werden -Und verstanden zu werden - geliebt zu sein.
Und das gibt mir die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden wird. Denn ich spüre jetzt die tiefe Liebe zu ihm, die unter all dem Ringen immer da ist. Und obwohl ich nicht wissen oder kontrollieren kann, welche Höhen und Tiefen mein Sohn und ich durchleben werden. Ich weiß zumindest, dass wir uns ihnen nicht allein stellen müssen.
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- Geschrieben von: Sabine Trentini
Die Schulen sind zu. Alle sind daheim.
Home-Office und Homeschooling laufen parallel.
Tag für Tag, Seite an Seite mit den Kindern in den eigenen vier Wänden.
Zerrissenheit zwischen Laptop, Telefon, aktuellen Nachrichten und Schulbüchern. So viel ist neu an dieser Situation.
Dazu kommt noch die innere und äußere Verunsicherung.
Wie lange wird es dauern? Wie schlimm wird es werden?
Was kommt danach? Was passiert mit meinem Arbeitsplatz?
Nicht nur mein Nervensystem - auch das globale Nervensystem ist hochgefahren. Und die Kinder spüren die Anspannung, meine innere Spannung und die äußere Unsicherheit.
Ich frage mich, was hilft?
Was hilft, wenn Routine und gewohnte Strukturen wegfallen?
Was brauchen wir Menschen in Zeiten der inneren und äußeren Krise?
Erste Gedanken kommen …
Wir sitzen im selben Boot
Die gewohnte Struktur ist weggebrochen, wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. So ist es. Es ist grad alles anders.
Ich bin überfordert. Meine Kinder sind überfordert. In dieser Hinsicht sitzen wir im selben Boot. Und wenn wir im selben Boot sitzen, heißt das: „Da gehen wir gemeinsam durch!“ Wir experimentieren, lernen, scheitern, probieren und gehen weiter.
Tempo raus, Ansprüche runter
Wir rufen auch zu Hause den Ausnahmezustand aus.
Einfach weiterzumachen, wie bisher, würde uns alle in den Wahnsinn treiben.
Daher heißt es jetzt: Tempo raus und Ansprüche runterschrauben. Gnädiger sein, mit mir selbst und den Kindern.
Struktur und Orientierung finden
Was hat jetzt Priorität? Was kann warten? Was kann zur Entspannung aller beitragen? Ich lerne mir selbst und meinen Kindern Struktur und Halt zu geben. Kleine Rituale und neue Routinen. Wir gestalten unseren Morgen und unser Aufstehen neu. (Helle Jensen hat in ihrem neuen Blog eine kleine Übung hierzu.)
Da sein und austauschen
Trotz unseres Jobs brauchen auch unsere Kinder unsere Präsenz und Aufmerksamkeit. Sie müssen nicht nur in einen neuen Tagesablauf reinfinden, sie brauchen auch die Möglichkeit, sich mit uns auszutauschen. Die Möglichkeit, ihre Gefühle zu ergründen, ihnen Worte zu geben und sie zu teilen. Die Informations- und Bilderflut aus den Nachrichten beschäftigen uns alle. Es tut gut, darüber zu reden. Das Schwierige, das, was uns Angst und Sorge macht, beim Namen zu nennen, es auszusprechen, aber auch das Angenehme, das Bereichernde und Beschenkende in der neuen Situation zu entdecken.
Teil der Gemeinschaft sein – mich zugehörig fühlen
Alle sind zu Hause. Jeden Mittag soll etwas auf den Tisch. Das kann eine Herausforderung oder eine neue Gelegenheit sein. Zum Beispiel die Gelegenheit, die Kinder miteinzubeziehen. Wer mag beim Kochen mithelfen und sich einbringen?
Kinder brauchen die Sicherheit, dass sie ein wertvoller Teil ihrer Familie sind. Die Gewissheit, dass sie ihren Platz haben und zum gemeinsamen Glück und Wohl beitragen. Das gibt Halt, das macht Freude, das tut gut.
Wir haben uns geeinigt, dass jedes Kind abwechselnd mit einem Elternteil den Kochdienst übernimmt. Und das macht Spaß. Das gemeinsame Tun verbindet, es nährt, nicht nur den Bauch, sondern auch das Gefühl, wertvoll zu sein, weil man einen Beitrag leisten kann. Diese Momente entspannen mich und machen glücklich.
Stopp sagen
Und wieder ein weiterer Vormittag im neuen Modus. Jeder an seinem Arbeitsplatz, jeder ist beschäftigt. Ich beantworte eine Mail. Ich möchte sie endlich abschicken. Und schon kommt die erste Frage: „Mama, wie geht das?“
Ich steh auf und erkläre es, setze mich zurück an die Arbeit, vertiefe mich in mein Schreiben, habe den Faden wieder gefunden und da kommt die nächste Frage. „Mama, ich versteh das nicht...!“
Stopp. So geht das nicht. Wie gehe ich da vor? Kaum tauche ich in meine Arbeit ein, werde ich unterbrochen. Das macht mich wahnsinnig, gereizt und genervt.
Für mich sorgen
Jetzt bin ich gefordert. Was brauche ich? Ich spüre nach. Was kann ich leisten und was nicht? Wo ist also meine Grenze? Wie mache ich diese sichtbar? Wie sorge ich gut für mich und meine Ruhe?
Warum ist es manchmal so schwer einfach zu sagen: „Ich kann mich jetzt gerade nicht damit beschäftigen. Ich kann mir deine offenen Fragen gerne etwas später anschauen.“
Das Kind nimmt die Antwort nach einem kurzen Dampfablassen seines Frustes recht gelassen an. Wir machen uns einen Zeitpunkt aus, wo wir die weiteren Fragen besprechen. Nummern, die zu schwer sind, kennzeichnet er mit einem Fragezeichen. Die gehen wir dann gemeinsam durch.
Eine klare Botschaft. Eine verständliche Frustration. Ein Ruhemoment. Ich habe Orientierung für mich und für meinen Sohn geschaffen.
Bei mir bleiben und persönliche Worte finden
Ich bin froh, dass ich die Kurve gekratzt habe und klare Worte für mich fand. Ich kenne es auch anders. Wenn mein innerer Stress zu hoch wird, dann platzt es manchmal aus mir so heraus: „Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin? Kannst du mich nicht mal für eine halbe Stunde in Ruhe lassen?“
Wenn ich das mache, kritisiere ich mein Kind, mache es für die Situation verantwortlich und gebe ihm die Schuld für meinen Frust. Dass das verletzend ist, weiß ich. Und ich kenne mich, meine Stimme, mein Verhalten wirkt dann kalt und distanziert. Und mein Kind bekommt das Gefühl, es sei fehl am Platz. Und das ist eigentlich das Schlimmste!
Ich möchte von mir reden. Statt „du störst mich“ sage ich: „Ich möchte jetzt in Ruhe arbeiten und kümmere mich dann um deine Fragen. Kannst du solange warten?“ Jesper Juul nennt das persönliche Sprache ( siehe IGFB Blog Welchen Teil von Nein hast du nicht verstanden?).
Diese Aussage tut nicht weh. Sie ist klar. Ich bleibe zugewandt. Der Kontakt bleibt erhalten. Und mein Kind kann mich spüren und von mir lernen. Eigene Bedürfnisse haben ist ok und ich darf sie auch mitteilen. Er auch.
Offene Ohren und offenes Herz
Wir zeigen uns, mit dem was da ist, als die, die wir sind und finden einen gemeinsamen Weg. Dafür brauche ich offene Ohren und ein offenes Herz.
Ein Dialog entsteht. Ich nehme dich und mich und deinen und meinen Standpunkt ernst und wir schauen, was daraus entsteht.
So schaffen wir Schritt für Schritt die Herausforderung und der Weg entsteht im Gehen unter meinen Füßen.
Ruhe kehrt ein, jeder wird gesehen, jeder darf sich zeigen.
Und für uns Eltern fühlt es sich erfüllend an. Ganz da zu sein, gut für uns selbst und für die Atmosphäre in der Familie zu sorgen. Denn:
Die Luft, die Kinder einatmen, ist erfüllt von der Atmosphäre, die ihre Eltern schaffen und zu verantworten haben. Karen Glistrup
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- Geschrieben von: Katrin Stauder
In den letzten Tagen habe ich mich intensiv mit dem neu überabeiteten Buch "Vom Gehorsam zur Verantwortung" von Jesper Juul und Helle Jensen beschäftigt - ein Klassiker, der jetzt neu übersetzt und aktualisiert viel leichter lesbar geworden ist.
Im Querlesen bin ich an einem Thema hängen geblieben, das mich, gerade wieder selbst sehr beschäftigt: die "persönliche Sprache". Persönliche Sprache, ein Begriff, den Jesper Juul und Helle Jensen geprägt haben, ermöglicht miteinander in Kontakt zu kommen und sich selbst besser kennenzulernen.
Als ich Jesper Juul zum ersten Mal im Dezember 2002, in Salzburg begegnete entstand auch mein erster Kontakt zum Begriff der persönlichen Sprache. Ich weiß noch, dass ich mit dem Vorhaben, mehr über mich und weniger über die anderen zu reden, aus Salzburg nach Hause gefahren bin.
Außerdem haben mich die zwei Teile in jeder Aussage, die Jesper Juul von uns einforderte, nachhaltig beeindruckt:
der passive Teil
zu sagen wie es mir,
bezogen auf eine Situation oder einen Umstand, geht
der aktive Teil
zu sagen, was ich von meinem Gegenüber,
bezogen auf diese Situation oder diesen Umstand,
will oder brauche
Mein Mann, meine Kinder, aber auch die Menschen, die mir in meinem Arbeitsfeld begegneten, gaben mir Gelegenheit, diese Anregungen auszuprobieren und immer wieder zu üben. Damals wurde mir klar, dass es nicht reicht, wenn das Wort "ich" in meinen Sätzen vorkommt, sondern, dass ich das, was ich sagen will, auch "meinen" bzw. fühlen muss, um gehört zu werden.
Jesper Juul schreibt über die persönliche Sprache:
- "Die persönliche Sprache bringt die Gefühle und Gedanken eines Menschen im Verhältnis zu einem anderen Menschen zum Ausdruck – bezogen auf einen ganz bestimmten Augenblick."
- "Sie besitzt persönliche Substanz und „Körper“ und ist somit wärmer als das, was ausschließlich vom Kopf ausgeht."
- "Sie erleichtert den Sprecher und beeindruckt den Hörer. Das ist die authentische Qualität der persönlichen Aussage."
- "Die persönliche Aussage handelt stets von dem, der spricht, und ist deshalb niemals kritisch oder belehrend."
Also fing ich an mir zu überlegen, was ich z. B meinen Kindern gegenüber wahrhaftig zum Ausdruck bringen wollte und versuchte dann, die überzeugte Entsprechung dieser Inhalte in mir zu finden - z. B. mein ganz klares "Nein", dass 100 Mal ausgedrückt keinen Effekt bei ihnen gezeigt hatte. Ich schaffte es, mir immer wieder Gehör zu verschaffen, wenn ich erfolgreich meine intellektuelle Idee mit meiner Befindlichkeit in Einklang brachte.
Trotzdem war ich noch oft damit konfrontiert nicht gehört zu werden. Auch versicherten mir immer wieder Klient*innen, dies oder jenes "genau so" zu ihren Kindern oder Partner*innen gesagt, aber absolut keinen Effekt damit erzielt zu haben.
Meine Lieblingssatz damals: "Du musst das auch glauben, was du sagst."
Die Schwierigkeit dabei war es allerdings, den Weg zu dieser inneren Überzeugung zu finden. Wie kam ich bloß dahin, das zu fühlen, was ich sagen wollte?
Nach vielen weiteren Auseinandersetzungen, Selbstversuchen, Selbsterfahrungen und einem stetigen Ringen um meinen persönlichen Ausdruck ist mir heute klar, dass meine Vorstellung von der Richtung des Erkenntnisprozesses damals falsch war. Nicht meine Idee und Vorstellung davon, was ich sagen will, muss den Weg zu meinem Gefühl finden, sondern meine persönlichen Gedanken, Werte und Gefühle, können mittels persönlicher Sprache so authentisch wie möglich vermittelt werden und auch noch ein Erkenntnisprozess für mich selbst sein.
Indem ich mich offen und neugierig darauf einlasse wahrzunehmen, zu spüren und zu fühlen, was bei mir gerade da ist; was mich umtreibt, voranbringt und abhält, indem ich darum ringe, dem was ich da in mir begegne die wirklich passenden Worte zu geben, erkenne ich mich selbst und kann mich so meinem Gegenüber authentisch zeigen und erst dadurch wirklich in Berührung und Kontakt kommen.
Die Sprache entspringt den innersten Bezirken in uns.
Kein Spiegel gibt das Bild eines Menschen so getreu wieder wie seine Rede.
[ Benjamin Jonson | englischer Bühnenautor | 1572 – 1637 ]
Meine Vorstellung war es "Von Gehorsam zur Verantwortung", nur sehr sachlich und professionell zu betrachten. Die tiefen persönlichen Überlegungen, die es in mir ausgelöst hat, haben mir jedoch einmal mehr gezeigt, dass alles was menschliche Beziehungen betrifft allgemeine Gültigkeit besitzt.
Nur wo wir ganz wir selbst sind, können wir in wahrhaftigen Kontakt mit den Menschen um uns kommen und das ist genau so wichtig für professionelle wie für private Begegnungen.
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Quellen der kursiv gedruckten Elemente:
Jesper Juul: „Pubertät – Wenn Erziehen nicht mehr geht“, Kösel 2018.
Jesper Juul, Helle Jensen:" Vom Gehorsam zur Verantwortung", Beltz April 2019.
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- Geschrieben von: Robin Menges
Familie kann Himmel und Hölle sein, wie es vor kurzem eine Seminarteilnehmerin auf den Punkt brachte. Himmel, wenn wir einen Platz haben, wo wir uns zu Hause fühlen, Menschen wissen, die uns nahestehen und uns so nehmen wie wir sind. In familiären Beziehungen suchen wir Verbundenheit und Geborgenheit, jemand, auf den wir uns verlassen können: einen sicheren Hafen. Aber Konflikte sind unumgänglich, weil sich jeder auch nach Autonomie und Unabhängigkeit sehnt. Und manchmal kommt das Leben anders als man es sich wünscht, da können diese engen Beziehungen auch zur Hölle werden.
Familie tut weh, wenn Kinder auffällig werden, Partnerschaften in die Brüche gehen,
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- Geschrieben von: Robin Menges
We at the iGfB understand counseling and family therapy as a personal and individual process, which supports individuals and family systems in their personal solutions and arouses potential for change.
In the context of accomapnying these kind of developmental processes, Meryl Streep’s words "take your broken heart and turn it into art" touched me last week.
I also try to turn my broken heart into art. Sometimes the result is artful, sometimes not. The transformation of one's own wounds, through one's own actions, is an essential impetus of many people, whether as partners, as parents, in our professions, in our voluntary commitments or in other areas.
One of the lectures that I gave this autumn was titled "Family Hurts". In preparation for this, and through the reactions of others, I was confronted with the harshness and inevitability of this fact time and time again.
Why do we do what we do?
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- Geschrieben von: Robin Menges
In meine Praxis kommen Familien und Paare: Familien und Paare, die sich mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert sehen. Das Kind will nicht in den Kindergarten; die 14-jährige ist im Kaufhaus beim Klauen erwischt worden; das Kindergartenkind ist sehr aggressiv – im Klartext fürchtet die Mutter um das Leben der Katze; der Ex-mann lässt jemand anderen auf die Kinder aufpassen – die Mutter kann ihm die Kinder nicht mehr mit gutem Gefühl überlassen; nach einer Trennung kommt eine Frau nicht auf ihre Beine; ein Mann ist verzweifelt, weil er das verlorene Vertrauen seiner Frau nicht wiedererlangen kann, obwohl er mit allem kämpft was er aufzubieten hat; usw..