Die Schulen sind zu. Alle sind daheim.
Home-Office und Homeschooling laufen parallel.
Tag für Tag, Seite an Seite mit den Kindern in den eigenen vier Wänden.
Zerrissenheit zwischen Laptop, Telefon, aktuellen Nachrichten und Schulbüchern. So viel ist neu an dieser Situation.
Dazu kommt noch die innere und äußere Verunsicherung.
Wie lange wird es dauern? Wie schlimm wird es werden?
Was kommt danach? Was passiert mit meinem Arbeitsplatz?
Nicht nur mein Nervensystem - auch das globale Nervensystem ist hochgefahren. Und die Kinder spüren die Anspannung, meine innere Spannung und die äußere Unsicherheit.
Ich frage mich, was hilft?
Was hilft, wenn Routine und gewohnte Strukturen wegfallen?
Was brauchen wir Menschen in Zeiten der inneren und äußeren Krise?
Erste Gedanken kommen …
Wir sitzen im selben Boot
Die gewohnte Struktur ist weggebrochen, wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. So ist es. Es ist grad alles anders.
Ich bin überfordert. Meine Kinder sind überfordert. In dieser Hinsicht sitzen wir im selben Boot. Und wenn wir im selben Boot sitzen, heißt das: „Da gehen wir gemeinsam durch!“ Wir experimentieren, lernen, scheitern, probieren und gehen weiter.
Tempo raus, Ansprüche runter
Wir rufen auch zu Hause den Ausnahmezustand aus.
Einfach weiterzumachen, wie bisher, würde uns alle in den Wahnsinn treiben.
Daher heißt es jetzt: Tempo raus und Ansprüche runterschrauben. Gnädiger sein, mit mir selbst und den Kindern.
Struktur und Orientierung finden
Was hat jetzt Priorität? Was kann warten? Was kann zur Entspannung aller beitragen? Ich lerne mir selbst und meinen Kindern Struktur und Halt zu geben. Kleine Rituale und neue Routinen. Wir gestalten unseren Morgen und unser Aufstehen neu. (Helle Jensen hat in ihrem neuen Blog eine kleine Übung hierzu.)
Da sein und austauschen
Trotz unseres Jobs brauchen auch unsere Kinder unsere Präsenz und Aufmerksamkeit. Sie müssen nicht nur in einen neuen Tagesablauf reinfinden, sie brauchen auch die Möglichkeit, sich mit uns auszutauschen. Die Möglichkeit, ihre Gefühle zu ergründen, ihnen Worte zu geben und sie zu teilen. Die Informations- und Bilderflut aus den Nachrichten beschäftigen uns alle. Es tut gut, darüber zu reden. Das Schwierige, das, was uns Angst und Sorge macht, beim Namen zu nennen, es auszusprechen, aber auch das Angenehme, das Bereichernde und Beschenkende in der neuen Situation zu entdecken.
Teil der Gemeinschaft sein – mich zugehörig fühlen
Alle sind zu Hause. Jeden Mittag soll etwas auf den Tisch. Das kann eine Herausforderung oder eine neue Gelegenheit sein. Zum Beispiel die Gelegenheit, die Kinder miteinzubeziehen. Wer mag beim Kochen mithelfen und sich einbringen?
Kinder brauchen die Sicherheit, dass sie ein wertvoller Teil ihrer Familie sind. Die Gewissheit, dass sie ihren Platz haben und zum gemeinsamen Glück und Wohl beitragen. Das gibt Halt, das macht Freude, das tut gut.
Wir haben uns geeinigt, dass jedes Kind abwechselnd mit einem Elternteil den Kochdienst übernimmt. Und das macht Spaß. Das gemeinsame Tun verbindet, es nährt, nicht nur den Bauch, sondern auch das Gefühl, wertvoll zu sein, weil man einen Beitrag leisten kann. Diese Momente entspannen mich und machen glücklich.
Stopp sagen
Und wieder ein weiterer Vormittag im neuen Modus. Jeder an seinem Arbeitsplatz, jeder ist beschäftigt. Ich beantworte eine Mail. Ich möchte sie endlich abschicken. Und schon kommt die erste Frage: „Mama, wie geht das?“
Ich steh auf und erkläre es, setze mich zurück an die Arbeit, vertiefe mich in mein Schreiben, habe den Faden wieder gefunden und da kommt die nächste Frage. „Mama, ich versteh das nicht...!“
Stopp. So geht das nicht. Wie gehe ich da vor? Kaum tauche ich in meine Arbeit ein, werde ich unterbrochen. Das macht mich wahnsinnig, gereizt und genervt.
Für mich sorgen
Jetzt bin ich gefordert. Was brauche ich? Ich spüre nach. Was kann ich leisten und was nicht? Wo ist also meine Grenze? Wie mache ich diese sichtbar? Wie sorge ich gut für mich und meine Ruhe?
Warum ist es manchmal so schwer einfach zu sagen: „Ich kann mich jetzt gerade nicht damit beschäftigen. Ich kann mir deine offenen Fragen gerne etwas später anschauen.“
Das Kind nimmt die Antwort nach einem kurzen Dampfablassen seines Frustes recht gelassen an. Wir machen uns einen Zeitpunkt aus, wo wir die weiteren Fragen besprechen. Nummern, die zu schwer sind, kennzeichnet er mit einem Fragezeichen. Die gehen wir dann gemeinsam durch.
Eine klare Botschaft. Eine verständliche Frustration. Ein Ruhemoment. Ich habe Orientierung für mich und für meinen Sohn geschaffen.
Bei mir bleiben und persönliche Worte finden
Ich bin froh, dass ich die Kurve gekratzt habe und klare Worte für mich fand. Ich kenne es auch anders. Wenn mein innerer Stress zu hoch wird, dann platzt es manchmal aus mir so heraus: „Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin? Kannst du mich nicht mal für eine halbe Stunde in Ruhe lassen?“
Wenn ich das mache, kritisiere ich mein Kind, mache es für die Situation verantwortlich und gebe ihm die Schuld für meinen Frust. Dass das verletzend ist, weiß ich. Und ich kenne mich, meine Stimme, mein Verhalten wirkt dann kalt und distanziert. Und mein Kind bekommt das Gefühl, es sei fehl am Platz. Und das ist eigentlich das Schlimmste!
Ich möchte von mir reden. Statt „du störst mich“ sage ich: „Ich möchte jetzt in Ruhe arbeiten und kümmere mich dann um deine Fragen. Kannst du solange warten?“ Jesper Juul nennt das persönliche Sprache ( siehe IGFB Blog Welchen Teil von Nein hast du nicht verstanden?).
Diese Aussage tut nicht weh. Sie ist klar. Ich bleibe zugewandt. Der Kontakt bleibt erhalten. Und mein Kind kann mich spüren und von mir lernen. Eigene Bedürfnisse haben ist ok und ich darf sie auch mitteilen. Er auch.
Offene Ohren und offenes Herz
Wir zeigen uns, mit dem was da ist, als die, die wir sind und finden einen gemeinsamen Weg. Dafür brauche ich offene Ohren und ein offenes Herz.
Ein Dialog entsteht. Ich nehme dich und mich und deinen und meinen Standpunkt ernst und wir schauen, was daraus entsteht.
So schaffen wir Schritt für Schritt die Herausforderung und der Weg entsteht im Gehen unter meinen Füßen.
Ruhe kehrt ein, jeder wird gesehen, jeder darf sich zeigen.
Und für uns Eltern fühlt es sich erfüllend an. Ganz da zu sein, gut für uns selbst und für die Atmosphäre in der Familie zu sorgen. Denn:
Die Luft, die Kinder einatmen, ist erfüllt von der Atmosphäre, die ihre Eltern schaffen und zu verantworten haben. Karen Glistrup