#Eltern sein & Familie
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- Geschrieben von: Ben Schuster
Was!?! Schon wieder ein Lockdown! Nicht a mal zu Silvester dürfen wir Freunde treffen! Ich halts nicht aus! Mir ist es jetzt schon zu viel. Ständig nur daheim im Familienkreis, mein Frust-Niveau ist schon am Limit! Ganz davon zu schweigen, dass ich einen Teenager daheim habe, der auch kurz vor dem Durchdrehen ist. Noch 3 Wochen! Wie soll das gehen? Wie sollen wir die Weihnachtstage und den nächsten Lockdown überstehen, ohne dass wir uns gegenseitig umbringen?
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- Geschrieben von: Sabine Trentini
Es ist wieder Abend geworden. Zeit zum Schlafen gehen. Ich schätze diese Zeit. Sie schenkt mir einen bewussten Moment, um mit meinem Sohn verbunden zu sein. Nur wir zwei unter der Kuscheldecke. Wir lesen in einem Buch und plaudern über den Tag. Wir werfen einen Blick zurück, auf das, was war: das Wertvolle würdigen und Unangenehmes aussprechen und loslassen. Diese Zweisamkeit beruhigt mich und ihn und wiegt uns wie ein sanftes Schaukeln hinein in die Nacht.
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- Geschrieben von: Andrea Connert
Beschenkt! So fühle ich mich nach unserem Familienwochenende in Wagrain. Auch wenn bei meiner Familie zu Beginn die Zweifel groß waren, ob wir uns als Familie beraten lassen sollen, haben wir es nicht bereut, den inneren Schweinehund überwunden zu haben.
Man kann es so schwer in Worte fassen, aber jene schwierigen Momente, in denen echter Kontakt entsteht, empfinde ich immer wieder als magisch und heilsam. Ohne Unterstützung von außen wäre es nicht möglich gewesen! Auch wir erleben immer wieder diese Momente, in denen ein Schalter umgelegt wird und das Ping-Pong-Spiel zwischen uns beginnt und die Wertschätzung und Empathie für den/die anderen verloren geht. Genau an so einem alltäglichen Beispiel haben wir gearbeitet. Wir haben uns erinnert und versucht einzufühlen.
Mit Unterstützung versuchten wir zu verstehen, welche Dynamik hier in unserer Familie abläuft, in dem sich dann leider am Ende alle fünf als Verlierer fühlen. Es ist gelungen! Auch jetzt, eine Woche danach, spüren wir als Eltern, dass in unserer Familie etwas anders ist. Im positiven Sinn. Den Satz: „Es ist alles so unfair und ungerecht“ habe ich von meinen Kindern schon länger nicht mehr gehört. „Nie hörst du MIR zu“, ist auch nicht mehr so oft gefallen. Ich glaube in unserem Counseling haben die Kinder gespürt, dass wir Eltern manchmal überfordert sind, es uns aber nicht egal ist, wie es unseren drei Kindern geht. Sie haben gesehen und gespürt, dass wir versuchen etwas zu verändern und an uns arbeiten. Ich denke diese Tatsache entlastet sie. .... Mal schauen wie es sein wird, wenn doch wieder einmal wie durch Zauberhand der Schalter umgelegt wird und das Ping-Pong-Spiel beginnt…….. Aber das ist eine andere Geschichte.
Auch aus Sicht des Family Counselors fühle ich mich beschenkt, da ich die Gelegenheit bekam eine Familie in ihrem schwierigen Prozess zu begleiten. Diese ersten Erfahrungen in einem neuen Setting (jetzt arbeiten wir mit der ganzen Familie) finde ich immer besonders wertvoll. Die Momente, in denen in mir die Nervosität aufsteigt und ich glaube nicht mehr weiter zu wissen. Jene Momente, in denen wieder kurz der Gedanke kommt, „ICH muss ihnen helfen“ und der Kontakt abbricht.
Ich fühle mich dann von der Situation überfordert und es kommen Gedanken wie: „Hilfe! Mir sitzen ja drei Menschen gegenüber! Und ich soll alle spüren und wahrnehmen!? Eh klar, dass das, was zwischen ihnen unsichtbar abläuft wichtiger ist, als das was sie sagen! Aber was jetzt!?“….
Meine Gedanken würden vielleicht immer weiter kreisen und ich würde den Kontakt zu mir selbst immer mehr verlieren, aber ich weiß ja, da sitzt noch jemand. Heute ist es Svend, auf den ich als Live-Supervisor zurückgreifen kann. Auf ihn kann ich mich verlassen, bei ihm darf ich laut denken. Ich spreche alles aus, was mir gerade durch den Kopf schießt und was ich gerne sagen würde. Siehe da, und plötzlich sortieren sich meine Gedanken und Gefühle und ich spüre, was ich als nächstes zur Familie sagen möchte.
Es bleibt immer ihre Entscheidung, ob sie meinen vorgeschlagenen Weg entlang gehen oder ob sich durch unser Gespräch ein neuer Weg auftut, der noch mehr der ihre ist. Das entlastet mich. Ich gebe alles, was ich zur Verfügung habe, um ihnen dabei behilflich zu sein ihren eigenen Weg zu gehen. Nach der Beratung gehen mir noch Fragen durch den Kopf und mich beschäftigt, was ich noch sagen oder machen hätte können. Aber ich versuche zufrieden mit mir und dem Erreichten zu sein. Es ist ein Weg den ich gehe, ich bin hier, um zu lernen...
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- Geschrieben von: Sabine Trentini
Kinder können ihre Meinung sagen, ihren Frust äußern und sich einbringen, aber für die Atmosphäre im Gespräch sind wir Eltern zuständig.
Kinder können ihren Schmerz und Unmut ausdrücken,
aber dass wir dabei im Kontakt und zugewandt bleiben,
dafür muss ich als Elternteil sorgen.
Kinder können hören und verstehen,
aber dass das, was ich zu meinem Kind sage, auch ankommt,
liegt daran, wie ich mich ausdrücke und wie ich Raum zum Hören schaffe.
Kinder können mitbestimmen und ihre Anliegen einbringen,
aber sie sind nicht dafür verantwortlich, wie es uns als Familie geht.
Mit Ernsthaftigkeit und Klarheit vermittelten unsere Lehrtherapeuten diese Haltung. Klar und deutlich zog sich der rote Faden VERANTWORTUNG durch das Familienwochenende.
- Wir Eltern haben die volle Verantwortung für die Beziehungsqualität, d.h. für die Stimmung in der Familie und für den Kontakt zu den Kindern.
- Wir Eltern haben die Führung.
- Die Verantwortung für die Qualität des Umgangs miteinander kann nicht auf die Kinder übertragen oder mit ihnen geteilt werden. Sie liegt ausschließlich bei uns Erwachsenen.
Ja, ich möchte als Elternteil Verantwortung übernehmen:
für die Stimmung in unserer Familie,
für die Qualität unserer Beziehung,
für mich und meine Gefühle,
für meine Werte und mein Handeln.
Doch wie drückt sich das im Alltag konkret aus?
Wie kann ich in schwierigen Situationen, die Verantwortung für mich und die Beziehung übernehmen?
Wie gelingt es mir, Verantwortung für meine Gefühle, Bedürfnisse und meine Stimmung zu übernehmen?
Wie geht das?
Das geht,
wenn ich bei mir bin und mich ernst nehme,
wenn ich sage, was ich spüre, denke und brauche,
wenn ich von mir spreche.
Ich bin müde, statt du bist anstrengend.
Ich bin verzweifelt, statt du bist nervig.
Wenn ich mich zeige, mit dem, was mich berührt.
Das setzt voraus, dass ich mich berühren lasse.
Dass ich meine Gefühle zulasse,
Dass ich hinspüre und hinschaue, was dahinter liegt.
Leichter wäre es, manchmal wegzuschauen.
Mich abzulenken, das Unwohlsein zu überspielen...
Dann müsste ich mich nicht äußern, dann bräuchte ich nicht Stellung beziehen und mich nicht mit mir und den unangenehmen Gefühlen auseinandersetzen.
Dabei kann es so befreiend sein,
wenn ich benenne, was ist.
wenn ich mich zeige und mir erlaube,
meine Gefühle zu spüren und
sie in Worte zu fassen:
Ich bin gerade überfordert.
Ich weiß im Moment nicht weiter.
Es ist grad zu viel für mich.
Ich weiß grad nicht, wie ich dir helfen kann.
Ich weiß im Augenblick nicht, was ich will.
Wenn ich ausspreche, was bei mir los ist,
kann mein Gegenüber spüren, wo ich bin.
Das sorgt für Klarheit.
Das ist erleichternd.
Indem ich ausspreche, was ist, bleibe ich da.
Es kann etwas entstehen!
Kontakt, Dialog, Beziehung.
Ich will zugewandt bleiben,
Ich will den Kontakt halten.
Auch dann, wenn es schwierig wird.
Auch dann, wenn es unaushaltbar scheint.
Aushalten.
Aushalten, dass es manchmal schwer ist.
Aushalten, dass ich nicht weiter weiß.
Aushalten, dass es weh tut oder unangenehm ist.
Aushalten, dass auch das Liebe ist.
Aushalten und Halten.
Den Kontakt. Die Verbindung. Den Raum.
In dem wir sein dürfen,
mit dem, was das Herz bewegt.
Wo nichts sein muss und alles sein darf.
So wie es grad ist.
Schwierig, frustrierend, beklemmend.
Ja, so ist es grad, so sind wir da.
Ich muss nicht dagegen ankämpfen, muss es nicht abwehren,
es braucht keine Lösung und auch kein Happy End.
Das erleichtert und erdet mich.
Das verbindet mich mit mir und meinem Gegenüber.
Dann kann ich mein Kind hören,
seine Anliegen und seine Bedürfnisse ernst nehmen
lauschen und hinspüren,
was es mir sagen will
ohne dabei in Angriff oder in Verteidigung zu gehen.
Ich kann ruhig bleiben,
in der Enge Weite finden
meine Verzweiflung da sein lassen und
mit meinem Kind in seinem Frust da sein.
Wenn da sein darf was ist,
kommt dieser Moment,
in dem die Kraft aufsteigt, die Energie wieder kommt
und sich neue Wege öffnen.
Ich komm wieder ins Handeln.
Ich kann spüren, was wir beide brauchen,
damit unsere Beziehung wieder nährend und verbindend wird.
Sogar dann, wenn die Themen schwer wiegen und mir Angst machen.
Je besser wir als Eltern unsere Grenzen kennen,
und je persönlicher wir sie zum Ausdruck bringen,
desto befriedigender wird unser Kontakt untereinander.
Das nehme ich mit.
Das öffnet mir einen Weg.
Kraftvoll. Klar.
Danke.
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- Geschrieben von: Ben Schuster
„Ich halt es nicht aus, wenn die Kinder ständig streiten! Das ist doch nicht normal! Haben wir etwas falsch gemacht?“
Als Family Counselor in Ausbildung sitze ich zum ersten Mal einer Familie gegenüber. Mutter und Vater sowie zwei von drei Kindern rutschen leicht nervös auf ihren Stühlen hin und her. Ein Stuhl ist leer. Er ist für die Jüngste, die sich lieber vom Rand zuschaut, während wir uns unterhalten.
„Wir waren gestern nach einem Fest alle so gut drauf, bis plötzlich die Stimmung kippte. Anna hat sich am Knie angestoßen. Ihr Weinen und Schreien haben Max voll genervt. Er hielt ihr „Theater“ nicht aus und explodierte. Und das alles direkt vorm Zubettgehen. Wir waren alle schon so müde. Warum muss das sein?“
Als Counselor bin ich auch leicht nervös. Obwohl wir schon so viele Counselings geübt und live miterlebt haben, ist es doch sehr ungewohnt vor vier Menschen zu sitzen und wahrzunehmen, was ihnen jeweils wichtig ist. Ich möchte ihnen helfen Klarheit zu finden, in dem emotionalen Labyrinth der Familiendynamik. Ich spüre einen inneren Druck, es gut machen zu wollen. Das lenkt mich ab und führt mich weg vom Kontakt mit den Menschen, die vor mir sitzen. Ich atme tief durch.
Ich lade auch die Kinder ein, ihre Sicht und Meinung einzubringen, falls sie etwas sagen möchten. Sie werfen sich gegenseitig einen kurzen Blick zu, und schenken mir ein etwas verlegenes Lächeln. Sie sind noch unsicher, ob sie etwas sagen wollen oder nicht.
Kurz ist es ruhig im Raum und dann sagt Max:
„ … Ja und dann ist die Mama wieder ausgeflippt.“
Ich sehe, wie der Papa nickt und die Mama in ihrem Stuhl leicht zusammensackt.
„Und ich bin dann immer diejenige, die es abkriegt“, ergänzt Elena leise. „Obwohl ich nichts gemacht habe! Das finde ich total ungerecht!“
Die Eltern schauen mich fragend an: „Was sollen wir nur tun?“
Es ist ein besonderes Lehrgangswochende.
Alle 10 Counselor in Ausbildung sitzen mit ihren Familien da. Alle sind neugierig, wie das hier abläuft. Wir sind ein bunter Haufen, aus verschiedenen Konstellationen: Patchwork-Familien, Kinder im Alter von 2 bis über 30, zwei Schwestern aus einer Ordensgemeinschaft und sogar ein großer Bernhardiner. Er beobachtet das ganze Geschehen von seinem Platz am Rand des Kreises. Ein Team aus Lehrsupervisor*innen und Assistentent*innen halten den Raum und begleiten uns. Wir sind hier, um die unsichtbaren Dynamiken in unseren Familien besser kennen zu lernen und zu verstehen. Wir wollen lernen, was es heißt mit Familien zu arbeiten und was es heißt, sich als Familie Hilfe zu holen. Jede Familie hat Zeit sich mit Fragen zu beschäftigen, wofür im Alltag kein Raum ist.
- Wie ist es DU, in unserer Familie zu sein
- Was ärgert mich am meisten an unserer Familie? Erzähl ein Beispiel.
- Was glaubst du, welche Sorgen oder Gedanken sich deine Eltern über dich oder deine Geschwister machen?
Als wir als Patchworkfamilie versuchen diese Fragen zu beantworten, kommt vieles an die Oberfläche. Sind wir überhaupt eine Familie? Wenn ja, wie sieht sie aus? Wenn nein, was sind wir dann genau?
Die Schmerzen von den Trennungen sind immer noch spürbar, obwohl sie jetzt über 5 Jahre hinter uns liegen. Auch die Kinder teilen ihre Themen mit: Konflikte und Unsicherheit in der erweiterten Familie, die Angst benachteiligt zu werden, Schwierigkeiten bei gemeinsamen Entscheidungen.
Die Themen sind vertraut, aber die Fülle überfordert uns. Eine Sache ist klar. Als Familie unterwegs zu sein ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen! Familie sein bedeutet auch Streit, Ärger, Schmerz und Leid.
Wieder zurück zu der Familie, die mir mit ihrem fragenden Blick gegenübersitzt.
Ich bin mir nicht sicher, wo wir als nächstes hinschauen sollen und bin dankbar für die Möglichkeit mich mit dem Supervisor, Svend aus Dänemark, zu unterhalten. In der Reflexion mit ihm überlege ich, welcher Schritt als nächster Sinn macht.
Ist die Mama überfordert, weil der Papa nicht unterstützt?
Fehlt es den Kindern an Aufmerksamkeit und sie kämpfen darum?
Fehlt eine gesunde Streitkultur in der Familie?
Wir steigen wieder in das Gespräch ein.
Es wird gemeinsam hingeschaut und erforscht welche Dynamiken das Zusammensein in diesen Situationen so schwer macht. Es zeigt sich, dass der Papa sehr wohl unterstützt und präsent ist. Die Kinder bekommen Aufmerksamkeit und im Großen und Ganzen, gibt es eine gesunde Familiendynamik. Außer bei solchen Streitereien. Da gerät etwas außer Kontrolle und es wird allen sehr schnell zu viel.
Immer wieder kommen wir im Gespräch auf die Streitkultur zurück.
„Mir ist das ständige Streiten zu viel."
„Ich mag nicht immer der Schiedsrichter sein."
„Ich will nicht, dass die Kinder so viel streiten. Das ist doch nicht normal."
Da kommt die ruhige Stimme von Svend, unserem Supervisor, der im Stuhl neben mir sitzt. „Aber auch das ist Liebe“
Kinder brauchen Streit, damit sie Beziehungskompetenz lernen können. Die Familie ist der einzige Ort, wo richtig hart gestritten werden kann und es trotzdem ein Ort der Liebe und Sicherheit bleiben kann. Es ist sehr, sehr wichtig, dass die Kinder selbst die Themen ausstreiten können. Für Eltern ist das oft sehr schwer auszuhalten.
Im Raum ist es plötzlich ruhig. Obwohl ich sie nicht direkt sehen kann, spüre ich die fragenden Blicke. Die meisten im Raum kennen diesen Gedanken aus den Büchern von Jesper Juul. Aber es in einer realen Situation zu erleben, zu spüren wie unmöglich es scheint diesen anzunehmen, geht tief rein.
Die Mama drückt sogleich aus, was sich sicher viele im Raum denken.
„Ja…aber ich mag das nicht. Ich halte das nicht aus. Es ist zu anstrengend. Ich will nicht, dass die Kinder so miteinander reden. Da muss ich doch etwas sagen… oder?"
„Aber Mama, wenn wir doch nur streiten, dann brauchen wir deine Hilfe nicht“, sagt Elena leise zu-ihrer Mama.
Svend nickt deutlich. Er schaut Elena an, mit einem bestätigenden Blick, lehnt sich zurück in den Stuhl und erklärt:
„Das Schwerste für Eltern ist, die Verantwortung. für das zu übernehmen, was man nicht geben kann oder will. Manchmal kann man einfach nicht mehr geben oder es ist zu anstrengend. Das ist OK. Eltern sind auch nur Menschen, die ihre Grenzen haben. Aber die Verantwortung für deine eigene Begrenzung, etwas auszuhalten zu übernehmen, ist sehr wichtig. Das heißt, dass du nicht nur deine eigenen Gefühle in dem Moment aushalten musst, sondern auch, wie die Kinder darauf reagieren und ihre Gefühle zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel, musst du wenn du „Nein“ sagst, aushalten, dass dein Kind wütend, traurig oder genervt reagiert. So lernen sie damit umzugehen. Und nur weil du sagst, es ist mir zu viel, heißt es nicht, dass die Kinder zu streiten aufhören sollen. Du musst für dich selbst die Verantwortung übernehmen. Wenn es dir zu viel wird, geh woanders hin. So bekommst du den Streit nicht mit.“
Der Counselor schaut zum Papa. „Wie geht es dir, wenn die Kinder streiten oder es einen Konflikt gibt? Kannst du das aushalten oder in solchen Momenten deiner Frau helfen, dass auch sie es aushalten lernt?“
„Ich kann damit ganz gut umgehen. Es nervt schon, aber es macht mich nicht total fertig.“
„Aber… das kann doch nicht die Lösung sein. Dass ich die Kinder streiten lasse? Muss ich nicht als Mama schauen, dass niemand verletzt wird, dass es nicht außer Kontrolle gerät?
„Deine Verantwortung in diesem Moment ist, gut für dich zu sorgen. Dass du die Kontrolle über dich nicht verlierst. Dass du es aushältst, dass deine Kinder die Verantwortung für ihre Konflikte übernehmen können und dass du deine Überforderung nicht auf die Kinder überträgst. Mehr musst du nicht machen. Aber das ist schon viel.“
„Das ist aber schwer. Ich mag es nicht, wenn sie Schimpfwörter verwenden. Kann ich da nichts tun?“
„Ja, Eltern sein ist manchmal schwer. Und Ja, du kannst sagen, dass du das nicht magst. Aber der Schiedsrichter solltest du nicht werden. “
Svend´s Botschaft ist klar und deutlich, es holt die Eltern in die Verantwortung. Gleichzeitig spüre ich seine große Empathie für die Eltern und was es heißt, diese schwierigen Situationen auszuhalten.
Was es heißt Familie zu sein...
Ich verlasse, das Familienwochenende mit einer tiefen Bewunderung für Familien. Obwohl Familie sein oft schwierig ist, ist es auch etwas Besonderes. Etwas, das Zugehörigkeit in guten und schlechten Zeiten gibt. Ich bin erstaunt, wie gut die Kinder wissen, was sie brauchen, und wie gut sie das auch zum Ausdruck bringen können, wenn wir ihnen zuhören. Ich spüre den Wunsch, auch meinem Sohn genauer zuzuhören und seine Perspektive zu verstehen.
Und gleichzeitig arbeitet es in mir nach.
Es ist klar das Kinder sehr wohl Verantwortung für sich und ihre Aufgaben übernehmen können und wollen, wenn man sie lässt. Viel mehr als wir es ihnen zumuten. Das haben die vielen Gespräche immer wieder gezeigt. Es ist aber auch klar, dass die Eltern für ihren Anteil die Verantwortung übernehmen müssen. Für ihre Emotionen und Gefühlen, für ihre Überforderung und für ihre begrenzten Kapazitäten. Wenn dieses nicht geschieht, dann sind alle überfordert.
Und mir ist klar, dass diese Grenzen sich immer wieder vermischen werden und sich manchmal Überforderung breitmacht, wenn die Verantwortung mal wieder nicht übernommen wird. Aber man kann sich entschuldigen. Es kommt wieder zur Versöhnung. Vielleicht bedeutet genau das, Familie zu sein. Gemeinsam zu wachsen!
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- Geschrieben von: Katrin Stauder
Das Familienwochenende, das zum Family Counseling Lehrgang der IGfB gehört, wie Schnee zum Winter in den Bergen oder Kuchen zum Geburtstag, war schon immer etwas ganz Besonderes für mich. Die Dynamik einer großen Gruppe, die Verletzlichkeit, die nur ganz nahe Beziehungen mit sich bringen und das Vertrauen, das die Lehrgangsteilnehmer*innen und ihre Familien uns als Veranstalter und den Referent*innen entgegenbringen faszinieren mich jedes Mal aufs Neue.
Es bedeutet eine große Verantwortung, aber auch ein großes Geschenk Teil dieses Lehrgangsblocks zu sein.
Das Familienwochenende ist so essentiell für uns, weil wir als Family Counselor nur seriös mit Familien, arbeiten können, wenn wir unsere eigenen Familien, ihre Verbindungen, Rituale, Verhaltensmuster, Dynamiken und Baustellen immer wieder spüren, erfahren, überdenken und dadurch immer besser kennenlernen.
In diesem Jahr war es noch ein bisschen spezieller für mich. Einerseits organisiere ich den Lehrgang und bin zuständig für alle Formalitäten, die ihn betreffen, andererseits ist mein Mann diesmal Teilnehmer und hat mich als seine Frau eingeladen, mit dabei zu sein.
Was für eine irre Gelegenheit für mich, ein und dieselbe Erfahrung aus mindestens zwei Perspektiven zu machen.
Wir hatten im Vorfeld zwar geklärt, dass ich an diesem Wochenende vor Ort nichts Organisatorisches abwickeln werde, aber meine Wahrnehmung kann ich ja nicht gut abstellen. So nach dem Motto: "Den organisatorischen und fachlichen Blickwinkel bitte auf Standby." Ein Sammelsurium an Wahrnehmungen und Empfindungen durchströmte mich also an vielen Momenten dieser Tage.
Es war mir schon im Vorfeld sehr wichtig, dass alles bestmöglich vorbereitet und durchdacht ist und die Bedürfnisse von allen individuell so gut wie möglich gesehen und beantwortet werden.
Vor Ort war also ein Teil meiner Wahrnehmung unweigerlich darauf gerichtet, wie die Teilnehmer*innen und ihre Familien in den ersten Stunden und Tagen auf Umgebung und Struktur reagierten (und auch, ob sie meine Erwartungen und die meiner Familie trafen).
Darüber hinaus war ich intensiv damit beschäftigt, wie sich meine Rolle als Ehefrau eines Teilnehmers gestalten würde und auch, wie wir als Familie mit den Anforderungen, die die Aufgabenstellungen der Referent*innen an uns stellten, zurechtkamen.
Schlussendlich galt mein Interesse, selbst Family Counselor, auch der fachlichen Arbeit der Referent*innen und der Lehrgangsteilnehmer*innen, die in der Mitte mit den Familien arbeiteten.
Ganz schön viel wahrzunehmen.
Doch es hat sich gelohnt, die Herausforderung anzunehmen.
Als Organisatorin bin ich bestärkt, dass die Struktur einen wesentlichen Teil des Gelingens so einer Veranstaltung ausmacht. Und ich fühle mich beglückt und beschenkt, weil alle den Ort und die Angebote darin so genießen konnten (das Wetter war noch dazu perfekt - dafür war ich allerdings nicht zuständig...)
Als Partnerin und Mutter bin ich dankbar für innige Situationen und Auseinandersetzungen in meiner Familie und für die vielen Beispiele der anderen Familien, die mir wieder gezeigt haben, dass es sich lohnt Dinge aus- und anzusprechen und, dass wir alle Erfahrungen teilen, die in jeder Familie so, oder so ähnlich aussehen.
Als Fachfrau schließlich bin ich berührt von Menschen, die bereit sind, sich auf eine so mutige und ehrliche Art mit sich selbst und ihren Partner*innen und Kindern auseinanderzusetzen und ich bin dankbar, sie und die angehenden Family Counselor auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Ein Geschenk über das ich jeden Tag aufs Neue glücklich bin.
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- Geschrieben von: Ben Schuster
Der Urlaub steht vor der Tür, und ich unterhalte mich mit meinem 16-jährigen Sohn über unsere Urlaubspläne. Ich freue mich, dass wir uns mit einigen Freunden treffen und dass meine Freundin und ihre Kinder auch dabei sein werden.
"Wenn sie mitkommt, dann komme ich nicht mit,“ sagt er sofort.
Ich bin schockiert. Was?!?!?!?!" Von einer Sekunde auf die andere ist mein Kopf leer. Ich denke nur noch in Schwarz und Weiß. Entweder läuft es so wie ich will und er verliert oder umgekehrt. Und damit kommt die Angst vor einer Entscheidung, die mir unmöglich erscheint und die ich nicht treffen will. Ich will mich nicht zwischen meinem Sohn oder meiner Freundin entscheiden.
Letztes Jahr ist vieles schief gegangen. Wir haben schon auf dem Weg in den Urlaub gestritten. Wir haben während wir dort waren fast jeden Tag gestritten. Und wir haben auch auf dem Heimweg gestritten. Einige Male hatte ich das Gefühl, es wäre entspannter, nicht im Urlaub zu sein. Zu viele widersprüchliche Bedürfnisse. Zu viele Emotionen. Zwei Familiensysteme, die sich immer wieder in die Quere kommen. Vier Teenager, die alle ihre Bedürfnisse erfüllt haben wollten. Zwei Erwachsene, die, gelinde gesagt, völlig überfordert waren. Und keine Freunde oder andere Möglichkeiten, sich auszutoben und schwierige Gefühle zu zeigen. Eine entspannte Zeit? Kaum.
Und mit seiner Erklärung "Ich komme nicht mit" überflutet mich die volle emotionale Erinnerung an das letzte Jahr. Die Wut. Die Beklemmung. Das Gefühl, festzustecken. Hilflos zu sein. Überwältigt zu sein.
Emotionaler Überfall
Durch meine Erfahrung als Family Counselor habe ich ein ziemlich klares Bild, was jetzt gerade mit mir passiert und was ich auch tun muss. Im Moment der Überforderung schaltet mein System von einer Sekunde auf den Nächsten auf Notfall um, und damit steigt auch die Bereitschaft zu Kämpfen oder zu Fliehen. Ich muss einen Weg finden, meine Gefühle zu fühlen, mit mir selbst wieder in Kontakt zu kommen. Ich muss mein System beruhigen, um wieder handlungsfähig zu werden.
Obwohl wir kopfgesteuerte Menschen sind, sind meine Gedanken hier nicht hilfreich, sondern befeuern nur meine Kampf-/Fluchtbereitschaft. Wir kommen erst über unsere Gefühle und körperlichen Empfindungen wieder mit uns selbst in Kontakt. Durch Selbstberuhigung und dem Ernstnehmen der eigenen Gefühle signalisieren wir unserem System „die Gefahr ist jetzt vorbei, jetzt ist es sicher“.
Im Sommerurlaub letztes Jahr ist mir dies nicht gelungen. Mein Stresssystem war dauernd auf Stufe Rot, und die geringste Provokation veranlassten mich zum Angriff oder Flucht. Was natürlich nur die Abwehr meines Sohnes oder meiner Freundin aktivierte und zu einem ständigem:" Du hast gesagt", "Ja, aber du hast getan", "Nein, das warst du“ führte. Die Meinungsverschiedenheiten waren oft klein, aber die emotionalen Reaktionen waren groß! Mein ständiges Kämpfen verhinderte, dass ich mich selbst wahrnehmen und fühlen konnte. Ich blieb stecken!
In die Gefühle eintauchen
Ich atme also jetzt tief durch und erinnere mich daran, dass meine Gefühle einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben, und tauche ein. Was fühle ich? Ich probiere, das aufzuschreiben
- Ich bin schockiert, dass mein Sohn so heftig reagiert.
- Ich bin schockiert, dass es mich so vom Hocker gehaut hat.
Die bewegungslose Starre fühlt sich sehr fest an. Aber ich atme tief durch und mache weiter…
- Ich habe Angst, dass mein Sohn nicht mit mir in den Urlaub fahren will…
- Ich habe Angst, dass ich nicht mit meiner Freundin wegfahren kann…
- Ich habe Angst vor weiterem Streit und Ungewissheit…
Während ich die Sätze schreibe, bleibe ich mit meiner Angst präsent. Ich fühle sie. Lasse sie zu. Ich versuche nicht, sie aufzulösen oder mein Denken zu aktivieren, in dem ich nach Lösungen suche. Ich schreibe meine Gefühle einfach auf. Ich spüre es tut gut. Ich habe viele Ängste, die mir nicht bewusst waren. Meine heftige Reaktion macht zunehmend Sinn. Ich bleibe dran. Was ist sonst noch da?
- Ich bin wütend, dass meine Freundin nicht mehr unternimmt, die Beziehung mit meinem Sohn zu verbessern.
- Ich bin wütend, dass er nicht macht was ich gerne hätte.
- Ich ärgere mich darüber, dass Patchwork so schwierig ist und dass wir dieses Gespräch führen müssen
Während ich meine Wut aufschreibe, spüre ich einen Energieschub. Ein Teil von mir will „ja aber“ sagen, die Wut verkleinern. Aber einen anderen Teil lässt die Wut zu. Ich muss nicht nur schöne Gefühle haben. Es nervt einfach und jetzt kann ich es zulassen. Es kommt auch der Wunsch, die Dinge zu ändern; Grenzen zu setzen oder für das einzutreten, was mir wichtig ist; aktiv zu sein. Ich spüre auch, welche meiner Wünsche oder Sehnsüchte für mich wichtiger sind. Ich versuche bewusst keine, Aktionspläne zu erstellen oder mich darin zu verfangen, wie ich diese Dinge verwirklichen kann. Ich lasse einfach zu, dass meine Wut jetzt da ist, dass ich sie spüre, wie sie steigt und sich wandelt. Und es kommen neue Gefühle…
- Ich bin traurig, dass mein Sohn sich bei meiner Freundin und ihren Kindern anscheinend nicht wohl fühlt.
- Ich bin traurig, dass wir in diesen Kämpfen stecken bleiben und die Zeit miteinander nicht genießen.
- Ich bin traurig, dass ich diese Probleme gefühlt allein bewältigen muss.
Im ersten Moment fühlt es sich schwer und hoffnungslos an. Ich versuche nicht, mir einzureden, dass es nicht so schlimm ist. Ich lasse die Schwere zu. Und dann kommt ein kleines Loslassen. Ein annehmen, dass es so ist. Und die Trauer fühlt sich überraschenderweise erleichternd an. Ich mag es immer noch nicht, dass die Dinge nicht so sind, wie ich sie mir wünsche. Aber, ich kann auch anfangen sie zu akzeptieren. Jetzt ist es so. Das darf sein. Und es steigt in mir eine Offenheit für das, was da ist auf.
- Ich bin neugierig, wie mein Sohn den Urlaub letztes Jahr eigentlich erlebt hat
- Ich bin neugierig, was er sich von den freien Tagen erhofft
- Ich bin offen für neue Ideen und Vorschläge
Die Offenheit fühlt sich gut an. Wie ein Vertrauen in unsere Beziehung. Das bekommen wir schon hin. Es überrascht mich, wie schnell meine inneren Gefühle sich von Widerstand zu Offenheit verändert haben. Die Offenheit ist echt, nicht gezwungen. Und ich spüre plötzlich, was ich mir wünsche…
- Ich möchte sowohl mit meinem Sohn als auch mit meiner Freundin in den Urlaub fahren können.
- Ich möchte einen schönen Sommer haben,
- Ich möchte, dass wir eine schöne Zeit miteinander verbringen
- Ich möchte Zeit für mich, Zeit mit meinem Sohn und Zeit mit meiner Freundin.
- Ich möchte, dass es unkompliziert ist… ahh… das möchte ich sehr!!!
Ich spüre mich wieder. Es tut gut. Ich kann wieder tief und frei atmen. Ich fühle mich wieder mit mir verbunden. Meine Füße fest auf dem Boden. Und es ist eine ganz andere Energie da.
Eine Änderung von Innen
Nachdem ich diesen Prozess durchlaufen habe, wird mir plötzlich bewusst, dass mein Drang zu kämpfen oder zu fliehen sich verändert hat. Es ist jetzt zum Wünsch geworden mit meinem Sohn und meiner Freundin zu sprechen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir eine Lösung finden werden. Aber ich habe nicht mehr das Gefühl, dass die Situation schwarz oder weiß ist, und dass es einen Gewinner und einen Verlierer geben wird. Ich bin jetzt bereit, meine, seine und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Und in allem will ich dem treu bleiben was mir wichtig ist.
Es entstehen in mir neue Wörter, die ausgesprochen werden möchten. „Tut mir leid, dass ich unser Gespräch über den Urlaub so blöd angefangen habe. In dem Moment konnte ich nicht reagieren, ich war überfordert. Aber ich habe gehört, dass du Bedenken hast. Können wir das Thema nochmals angehen. Ich würde gerne hören, wie es letztes Jahr für dich war, was du dir wünscht und würde dir auch gerne erzählen, wie es für mich war und was ich mir wünsche…
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- Geschrieben von: Ben Schuster
Ich setze mich wieder an den PC und fühle mich gut. Ich bin ein guter Papa. Ich habe langsam den Dreh bei dieser Homeoffice-Sache heraus. Habe mir Zeit für ein angenehmes Mittagessen mit meinem Sohn genommen, fühle ich mich jetzt gut in meiner Haut. Noch ein paar Dinge erledigen, damit ich den Tag ausklingen lassen und mich abends entspannen kann. Dann ruft meine Freundin an und fragt, ob ich ihrer Tochter helfen kann. Nach ein paar Minuten hat sie ihre Aufgabe geschafft und mein 16-jähriger erscheint in der Tür.
"Ich muss mein Biologieprojekt mit dir besprechen, ich kenn mich da nicht aus!“
Ich spüre wie der Frust in mir steigt. Ich will vor meinem nächsten Termin noch etwas fertig machen. Schon wieder eine Störung! "Wir haben gerade eine Stunde zusammen zu Mittag gehabt. Du hättest da was sagen können. Ich muss jetzt weiterarbeiten. Lass uns später reden". Einen kurzen Moment lang, spüre ich, dass mein Stresspegel wieder sinkt, und ich bin insgeheim stolz darauf, dass ich eine gewisse Struktur aufrechterhalte und mich auch um meine Bedürfnisse kümmere.
"Aber ich brauche jetzt Hilfe"!
"Ja, aber ich habe einen Termin, der in 20 Minuten beginnt, und möchte vorher noch etwas erledigen!
"Du hast nie Zeit für mich! Du interessierst dich nie für das, was ich tue. Du hast immer Zeit für andere. Aber nicht für mich!"
Ich spüre wie die Wut in mir aufsteigt. Bevor ich noch meine innere Kernschmelze stoppen kann, schaue ich mir zu, wie ich wie ein Vulkan über meinen 16-jährigen Sohn ausbreche. „Nie! Du hast keine Ahnung, wie viel ich für dich tue. Du merkst es nie, wenn ich mir Zeit nehme, dir zu helfen. Du siehst immer nur das, was ich nicht tue! Du... du… du…!!!!"
Ich brauche die Geschichte nicht fertig zu erzählen, damit ihr wisst, wo sie endete. Ich höre noch immer das Zuschlagen seiner Zimmertür. Ich spüre die intensive Wut und Frustration; das Gefühl nicht verstanden zu sein. Die Ruhe eines angenehmen gemeinsamen Mittagessens, nur 10 Minuten zuvor - eine ferne Erinnerung. Was bleibt, sind die Trümmer eines Zusammenbruchs unserer Beziehung. Alle beide haben wir uns hinter die Mauern der Wut zurückgezogen. Meine Hoffnung auf einen effektiven Nachmittag ist dahin! Ich schaffe es, die kurze Skype-Konferenz zu überstehen und gehe nach draußen, in der Hoffnung, meinen Kopf frei zu bekommen.
Was ist gerade passiert?
Wie konnte ich so ausflippen? Alles schien so gut? Ich bin in letzter Zeit viel besser mit seinen Launen fertig geworden. Warum hat mich das gerade so hart getroffen?
Ich bin wütend. Aber erste Risse erscheinen in meinem harten Panzer. Ich zweifle an mir selbst. Bin ich wirklich ein guter Vater? Habe ich nie Zeit für meinen Sohn? Interessiere ich mich wirklich nicht für das, was er tut? Während ich gehe, beginne ich zu befürchten, dass etwas daran wahr sein konnte. Ich bin oft nicht zu 100% anwesend oder völlig daran interessiert, was er in der Schule macht. Meine Gedanken drehen sich oft um berufliche Probleme, ganz zu schweigen von den Rechnungen, die zu bezahlen sind, der Reparatur des Autos, dem Haushalt und allem anderen, was zum Alltag dazu gehört.
Jetzt wird aus meiner Wut ein Schuldgefühl. Jetzt fühle ich mich wie ein schlechter Vater. Ich lasse meinen Sohn im Stich. Eine weitere Erwartung kommt zu der langen Liste von Dingen hinzu, die ich tun/können/schaffen muss, um ein guter Vater zu sein: immer für meinen Sohn da sein, wenn er Hilfe braucht. Immer. Damit er sich nie vernachlässigt fühlt.
Es ist hoffnungslos
Und dann: Es ist zu viel. Zu viel Druck. Wie soll das jemals gehen? Ich werde es nie schaffen, ihm alles zu geben, was er braucht. Ich werde nie ein guter Papa sein!
Ich bleibe stehen. Setze mich an einen Fluss. Ich bin erschöpft. Ich sehe das Wasser vorbeifließen. Die warme Sonne verlangsamt meine Gedanken. Ich kippe für 10 Minuten weg.
Als ich aufwache, scheint sich der Nebel im Kopf ein wenig aufgelöst zu haben. Ich fühle mich weicher. Irgendwie freundlicher zu mir selbst. Vielleicht liegt es an dem kurzen Nickerchen.
Was auch immer diese Änderung hervorgebracht hat, ich kann jetzt deutlich sehen, dass es wirklich hoffnungslos ist. Ich kann nicht mehr "tun"! Ich schaffe es nicht, alles zu tun, was mein Sohn erwartet oder sogar braucht, um zufrieden zu sein. Ich werde nie ein perfekter Vater sein. Ja, es ist hart, ihn enttäuscht oder verärgert zu sehen. Und ja, es ist noch härter, wenn er mir vorwirft, dass ich schuld daran bin, dass er sich so fühlt. Und das Härteste daran ist, dass ich ja wirklich ständig versuche, Dinge zu tun, die ihn glücklich machen. Und das Gefühl, als Elternteil versagt zu haben ist fast unerträglich.
Aber es ist einfach nicht möglich. Ich werde nie in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass er immer zufrieden ist. Schon gar nicht als 16-jähriger, dessen Stimmungen alle 5 Minuten schwanken.
Irgendwie weiß ich tief im Inneren, dass mein Versuch, ein perfekter Vater zu sein, zum Scheitern verurteilt ist. Ich muss einen Weg finden, um mit der Tatsache zurechtzukommen, dass er manchmal unglücklich und unzufrieden ist. Und dass er mir dafür sogar die Schuld geben wird. Aber das ist in Ordnung. Das ist sogar normal.
Nur ein guter Vater sein?
Ein neuer Gedanke beginnt sich in meinem Kopf zu bilden... Was, wenn ich „nur“ ein guter Vater wäre? Nicht perfekt. Nicht großartig. Nur OK. Gut genug. Jemand, der gelegentlich ausflippt, wenn’s zu viel wird. Jemand, der manchmal sagen muss: "Ich kann dich jetzt nicht helfen" oder "Mir ist das gerade zu viel, besprechen wir es später" oder "Ich weiß nicht" oder einfach mal „nein“ sagt. Ein durchschnittlicher Papa, der seinen Sohn enttäuschen darf und nicht immer in der Lage ist, das zu tun, was er sich wünscht, oder auch immer da zu sein, wenn er mich braucht.
Das ist ein befreiender Gedanke. Aber einer, mit dem ich gleichzeitig kämpfe. Ja, aber was ist, wenn ich etwas falsch mache, was ist, wenn er wirklich nicht OK sein wird? Was, wenn ich ihm Schaden zufüge? Was, wenn er mich wirklich brauchen würde und ich bin nicht da? Was, wenn er das Gefühl hat, dass ich ihn nicht liebe? Was dann?
Kinder brauchen keine perfekten Eltern
Dann erinnere ich mich an etwas, was ich von Jesper Juul gelesen habe: Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sie brauchen Eltern, die gut genug sind, die ok sind, aber nicht perfekte Eltern! Sie brauchen auch Eltern, die authentische Vorbilder sind, und die ihren Kindern beibringen, für sich selbst zu sorgen, indem sie für sich selber sorgen und ihre Grenzen kennen und auch schützen.
Das Fenster der Hoffnung öffnet sich wieder und mit ihm das Gefühl der Befreiung. Wenn ich nicht perfekt sein muss, dann ist es einfacher, mit schwierigen Situationen umzugehen. Schwierige Situationen kommen vor und Teenager regen sich auf. Das ist in Ordnung. Es bedeutet nicht, dass ich ihn nicht liebe oder dass ich ein schlechter Vater bin. Es bedeutet, dass etwas anders ist, als er es sich wünscht und dass er sich damit schwertut. Er lernt, dass das Leben manchmal herausfordernd ist. Es ist eine schwierige Lektion, durch die wir alle hindurchmüssen: lernen mit den Enttäuschungen des Lebens umzugehen. Und wenn es für mich in Ordnung ist, dass er manchmal verärgert ist, dann ist es auch in Ordnung, wenn ich „nein“ sage oder „nicht jetzt“. Dann ist es auch in Ordnung, dass ich auch manchmal überfordert bin oder mich aufrege. Es ist uns beiden erlaubt, unvollkommen zu sein, und nicht so schöne Gefühle zu haben.
Ahh... das gibt mir Raum zum Atmen. Wieder verschiebt sich etwas in mir. Ich fühle mich weicher. Ich fühle mich offener. Und langsam kommt der Wunsch, nach Hause zurückzukehren.
Der Wunsch es wieder gut zu machen
Ich stehe auf und gehe langsam nach Hause. Und mit jedem Schritt wächst der Wunsch, mit meinem Sohn zu sprechen. Der Wunsch, mich für meine Explosion zu entschuldigen. Nicht weil ich es "muss", um ein guter Vater zu sein. Nein, weil ich es möchte. Weil ich meine Geduld in einem schwierigen Moment "verloren habe" und auch auf diesem Weg, den man Leben nennt, manchmal zu kämpfen habe. Und je mehr ich meine eigene Unvollkommenheit und mein eigenes Ringen akzeptiere, desto leichter fällt es mir seltsamerweise, seine Aufregung und sein Ringen zu verstehen. Und zu akzeptieren, dass es in Ordnung ist. Es fühlt sich an, als hätten wir ein geheimes Band; etwas Gemeinsames: Keine Perfektion – eigentlich eher unsere Unvollkommenheit - der Kampf, mit schwierigen Emotionen und Gefühlen umzugehen. Wir haben beide den Wunsch, gesehen zu werden -Und verstanden zu werden - geliebt zu sein.
Und das gibt mir die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden wird. Denn ich spüre jetzt die tiefe Liebe zu ihm, die unter all dem Ringen immer da ist. Und obwohl ich nicht wissen oder kontrollieren kann, welche Höhen und Tiefen mein Sohn und ich durchleben werden. Ich weiß zumindest, dass wir uns ihnen nicht allein stellen müssen.