Blogbeiträge von Katrin Stauder:
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- Geschrieben von: Katrin Stauder
Das Familienwochenende, das zum Family Counseling Lehrgang der IGfB gehört, wie Schnee zum Winter in den Bergen oder Kuchen zum Geburtstag, war schon immer etwas ganz Besonderes für mich. Die Dynamik einer großen Gruppe, die Verletzlichkeit, die nur ganz nahe Beziehungen mit sich bringen und das Vertrauen, das die Lehrgangsteilnehmer*innen und ihre Familien uns als Veranstalter und den Referent*innen entgegenbringen faszinieren mich jedes Mal aufs Neue.
Es bedeutet eine große Verantwortung, aber auch ein großes Geschenk Teil dieses Lehrgangsblocks zu sein.
Das Familienwochenende ist so essentiell für uns, weil wir als Family Counselor nur seriös mit Familien, arbeiten können, wenn wir unsere eigenen Familien, ihre Verbindungen, Rituale, Verhaltensmuster, Dynamiken und Baustellen immer wieder spüren, erfahren, überdenken und dadurch immer besser kennenlernen.
In diesem Jahr war es noch ein bisschen spezieller für mich. Einerseits organisiere ich den Lehrgang und bin zuständig für alle Formalitäten, die ihn betreffen, andererseits ist mein Mann diesmal Teilnehmer und hat mich als seine Frau eingeladen, mit dabei zu sein.
Was für eine irre Gelegenheit für mich, ein und dieselbe Erfahrung aus mindestens zwei Perspektiven zu machen.
Wir hatten im Vorfeld zwar geklärt, dass ich an diesem Wochenende vor Ort nichts Organisatorisches abwickeln werde, aber meine Wahrnehmung kann ich ja nicht gut abstellen. So nach dem Motto: "Den organisatorischen und fachlichen Blickwinkel bitte auf Standby." Ein Sammelsurium an Wahrnehmungen und Empfindungen durchströmte mich also an vielen Momenten dieser Tage.
Es war mir schon im Vorfeld sehr wichtig, dass alles bestmöglich vorbereitet und durchdacht ist und die Bedürfnisse von allen individuell so gut wie möglich gesehen und beantwortet werden.
Vor Ort war also ein Teil meiner Wahrnehmung unweigerlich darauf gerichtet, wie die Teilnehmer*innen und ihre Familien in den ersten Stunden und Tagen auf Umgebung und Struktur reagierten (und auch, ob sie meine Erwartungen und die meiner Familie trafen).
Darüber hinaus war ich intensiv damit beschäftigt, wie sich meine Rolle als Ehefrau eines Teilnehmers gestalten würde und auch, wie wir als Familie mit den Anforderungen, die die Aufgabenstellungen der Referent*innen an uns stellten, zurechtkamen.
Schlussendlich galt mein Interesse, selbst Family Counselor, auch der fachlichen Arbeit der Referent*innen und der Lehrgangsteilnehmer*innen, die in der Mitte mit den Familien arbeiteten.
Ganz schön viel wahrzunehmen.
Doch es hat sich gelohnt, die Herausforderung anzunehmen.
Als Organisatorin bin ich bestärkt, dass die Struktur einen wesentlichen Teil des Gelingens so einer Veranstaltung ausmacht. Und ich fühle mich beglückt und beschenkt, weil alle den Ort und die Angebote darin so genießen konnten (das Wetter war noch dazu perfekt - dafür war ich allerdings nicht zuständig...)
Als Partnerin und Mutter bin ich dankbar für innige Situationen und Auseinandersetzungen in meiner Familie und für die vielen Beispiele der anderen Familien, die mir wieder gezeigt haben, dass es sich lohnt Dinge aus- und anzusprechen und, dass wir alle Erfahrungen teilen, die in jeder Familie so, oder so ähnlich aussehen.
Als Fachfrau schließlich bin ich berührt von Menschen, die bereit sind, sich auf eine so mutige und ehrliche Art mit sich selbst und ihren Partner*innen und Kindern auseinanderzusetzen und ich bin dankbar, sie und die angehenden Family Counselor auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Ein Geschenk über das ich jeden Tag aufs Neue glücklich bin.
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- Geschrieben von: Katrin Stauder
In den letzten Tagen habe ich mich intensiv mit dem neu überabeiteten Buch "Vom Gehorsam zur Verantwortung" von Jesper Juul und Helle Jensen beschäftigt - ein Klassiker, der jetzt neu übersetzt und aktualisiert viel leichter lesbar geworden ist.
Im Querlesen bin ich an einem Thema hängen geblieben, das mich, gerade wieder selbst sehr beschäftigt: die "persönliche Sprache". Persönliche Sprache, ein Begriff, den Jesper Juul und Helle Jensen geprägt haben, ermöglicht miteinander in Kontakt zu kommen und sich selbst besser kennenzulernen.
Als ich Jesper Juul zum ersten Mal im Dezember 2002, in Salzburg begegnete entstand auch mein erster Kontakt zum Begriff der persönlichen Sprache. Ich weiß noch, dass ich mit dem Vorhaben, mehr über mich und weniger über die anderen zu reden, aus Salzburg nach Hause gefahren bin.
Außerdem haben mich die zwei Teile in jeder Aussage, die Jesper Juul von uns einforderte, nachhaltig beeindruckt:
der passive Teil
zu sagen wie es mir,
bezogen auf eine Situation oder einen Umstand, geht
der aktive Teil
zu sagen, was ich von meinem Gegenüber,
bezogen auf diese Situation oder diesen Umstand,
will oder brauche
Mein Mann, meine Kinder, aber auch die Menschen, die mir in meinem Arbeitsfeld begegneten, gaben mir Gelegenheit, diese Anregungen auszuprobieren und immer wieder zu üben. Damals wurde mir klar, dass es nicht reicht, wenn das Wort "ich" in meinen Sätzen vorkommt, sondern, dass ich das, was ich sagen will, auch "meinen" bzw. fühlen muss, um gehört zu werden.
Jesper Juul schreibt über die persönliche Sprache:
- "Die persönliche Sprache bringt die Gefühle und Gedanken eines Menschen im Verhältnis zu einem anderen Menschen zum Ausdruck – bezogen auf einen ganz bestimmten Augenblick."
- "Sie besitzt persönliche Substanz und „Körper“ und ist somit wärmer als das, was ausschließlich vom Kopf ausgeht."
- "Sie erleichtert den Sprecher und beeindruckt den Hörer. Das ist die authentische Qualität der persönlichen Aussage."
- "Die persönliche Aussage handelt stets von dem, der spricht, und ist deshalb niemals kritisch oder belehrend."
Also fing ich an mir zu überlegen, was ich z. B meinen Kindern gegenüber wahrhaftig zum Ausdruck bringen wollte und versuchte dann, die überzeugte Entsprechung dieser Inhalte in mir zu finden - z. B. mein ganz klares "Nein", dass 100 Mal ausgedrückt keinen Effekt bei ihnen gezeigt hatte. Ich schaffte es, mir immer wieder Gehör zu verschaffen, wenn ich erfolgreich meine intellektuelle Idee mit meiner Befindlichkeit in Einklang brachte.
Trotzdem war ich noch oft damit konfrontiert nicht gehört zu werden. Auch versicherten mir immer wieder Klient*innen, dies oder jenes "genau so" zu ihren Kindern oder Partner*innen gesagt, aber absolut keinen Effekt damit erzielt zu haben.
Meine Lieblingssatz damals: "Du musst das auch glauben, was du sagst."
Die Schwierigkeit dabei war es allerdings, den Weg zu dieser inneren Überzeugung zu finden. Wie kam ich bloß dahin, das zu fühlen, was ich sagen wollte?
Nach vielen weiteren Auseinandersetzungen, Selbstversuchen, Selbsterfahrungen und einem stetigen Ringen um meinen persönlichen Ausdruck ist mir heute klar, dass meine Vorstellung von der Richtung des Erkenntnisprozesses damals falsch war. Nicht meine Idee und Vorstellung davon, was ich sagen will, muss den Weg zu meinem Gefühl finden, sondern meine persönlichen Gedanken, Werte und Gefühle, können mittels persönlicher Sprache so authentisch wie möglich vermittelt werden und auch noch ein Erkenntnisprozess für mich selbst sein.
Indem ich mich offen und neugierig darauf einlasse wahrzunehmen, zu spüren und zu fühlen, was bei mir gerade da ist; was mich umtreibt, voranbringt und abhält, indem ich darum ringe, dem was ich da in mir begegne die wirklich passenden Worte zu geben, erkenne ich mich selbst und kann mich so meinem Gegenüber authentisch zeigen und erst dadurch wirklich in Berührung und Kontakt kommen.
Die Sprache entspringt den innersten Bezirken in uns.
Kein Spiegel gibt das Bild eines Menschen so getreu wieder wie seine Rede.
[ Benjamin Jonson | englischer Bühnenautor | 1572 – 1637 ]
Meine Vorstellung war es "Von Gehorsam zur Verantwortung", nur sehr sachlich und professionell zu betrachten. Die tiefen persönlichen Überlegungen, die es in mir ausgelöst hat, haben mir jedoch einmal mehr gezeigt, dass alles was menschliche Beziehungen betrifft allgemeine Gültigkeit besitzt.
Nur wo wir ganz wir selbst sind, können wir in wahrhaftigen Kontakt mit den Menschen um uns kommen und das ist genau so wichtig für professionelle wie für private Begegnungen.
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Quellen der kursiv gedruckten Elemente:
Jesper Juul: „Pubertät – Wenn Erziehen nicht mehr geht“, Kösel 2018.
Jesper Juul, Helle Jensen:" Vom Gehorsam zur Verantwortung", Beltz April 2019.